Ich war während meiner Kindheit immer dünn und hatte nie Probleme mit dem Gewicht. Aber mit 14 Jahren, als ich in der achten Klasse war, fingen die Probleme an. Ich kann mich gut daran erinnern, dass meine Klassenkameradinnen viele verschiedene Diäten ausprobierten und dadurch die Aufmerksamkeit auf sich zogen. Das steigerte sich so weit, dass am Ende jedes Mädchen in meiner Klasse dachte, dass sie zu dick sei und der Grund dafür zu viel Essen sei.
Der Weg, den ich selbst damals einschlug, war natürlich falsch, denn ich aß in dieser Zeit viel zu wenig. Dadurch bekam ich ständig Heißhunger und wenn ich aus der Schule kam, stürzte ich mich auf Sandwiches und Brötchen. Der Teufelskreis begann. Stets hatte ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich etwas in mich hineinstopfte und es nicht geschafft hatte, standhaft zu bleiben. Doch das hielt ich vor meinen Eltern geheim, obwohl ich begann zuzunehmen. Im Alter zwischen 14 und 19 Jahren ging mein Gewicht ständig 5 bis 20 Kilo rauf und wieder runter. Das ist für die Psyche eines Teenagers alles andere als gut. Für mich war es eine sehr schwere Zeit und schließlich beschloss ich, zu den Weight Watchers zu gehen. Zwar schaffte ich es dort abzunehmen, doch immer nur für kurze Zeit, dann nahm ich wieder zu.
Ich probierte viele Reduktionsdiäten. Zuhause blätterte ich oft in allen möglichen Katalogen und sah mir die tolle Kleidung an, die mir aufgrund meines Übergewichts nicht passte. Ich musste die Kleidung kaufen, die es in meiner Größe gab und konnte nicht die bestellen, die mir gefiel.
Weight Watchers habe ich mehrmals ausprobiert, ebenso die Weizendiät und vieles andere. Sogar Zenical Diätpillen nahm ich ein, die sollten mich schließlich schlank machen. Alle Diäten, die ich versuchte, führten zu unterschiedlichen Resultaten, aber eins hatten alle gemeinsam: Ich nahm hinterher immer etwas mehr zu. So habe ich mich dick gehungert. Diese ganzen Diäten führten zu einer richtigen Essstörung.
All die Erfahrungen und Erlebnisse, die ich bei meinen Diäten gemacht habe, also bei meiner Diätkarriere, sind nichts, worauf ich stolz bin. Doch durch diese Erfahrungen weiß ich wie es ist, übergewichtig zu sein. So ist es einfacher, anderen Menschen zu helfen, denn ich kenne dieses Gefühl genau und weiß auch, wie man sich selbst betrügt. Ich besitze ein gutes Verständnis beider Seiten – schlank und dick.
Zu bloggen bedeutet mir sehr viel. Zu schreiben, wie ich damals lebte und heute lebe. Ich glaube, mein Blog ist sehr familiär, was mir auch die vielen Kommentare zeigen. Die Leser und ich, wir unterstützen uns. In vielen Situationen, die ich beschreibe, erkennen sie sich wieder, denn auch sie erleben diese schlimmen Geschehnisse, über die man nur ungerne berichtet.
Mit 19 Jahren traf ich meinen heutigen Mann, dem ich meine Ernährungsprobleme verheimlichte, denn es war so schon Stress genug für mich. Mein Mann studierte in Lund und ich wohnte in Östersund. Ein halbes Jahr lang pendelte ich, doch dann zog ich nach Lund und arbeitete dort vier Jahre. Zusammen zu ziehen war zwar schön, doch zur Freude kam auch Angst. Wie sollte ich in einer 12 qm großen Studentenwohnung meine Essstörung verbergen? Nach einer Weile der Geheimhaltung flog mein Problem natürlich auf, aber es befreite, sich dem Freund mitteilen zu können. Es machte mich sicherer. Als ich meinen Mann traf, war ich normalgewichtig. Doch dadurch, dass wir es liebten, gut zu essen, nahmen wir beide zu. Übergewichtig zu sein war zwar stressig, doch einen Partner und eine Anstellung zu haben, war etwas Schönes. Inmitten aller Versuche abzunehmen, verlobten wir uns. Mir ging es noch zu gut, um begreifen zu können, was wirklich geschah. Das Gewicht ging stetig nach oben. Ohne meine Schwangerschaften hätte ich wahrscheinlich nicht so viel zugenommen, aber so wog ich schließlich bis zu 140 Kilo. Es gelang mir, nach meiner letzten Schwangerschaft 30 Kilo abzunehmen, doch ganz schnell waren auch diese Kilos zurück.
Für mich war Weight Watchers keine nachhaltige Möglichkeit zum Abnehmen, da ich immer wieder alles zunahm. Ständig alles abzuwiegen, sich nie satt zu fühlen –, das war kein Lebensstil, der für mich funktionierte. Erst als wir mit LCHF begannen, hatte ich endlich das Gefühl, einen Weg gefunden zu haben.
Besonders die sozialen Aspekte des Übergewichts waren für mich anstrengend. Freunde, die ich lange nicht gesehen hatte, sahen mich dick, obwohl sie mich ein halbes Jahr vorher noch schlank kannten. Ich pendelte mit meiner Figur immer hin und her und schämte mich dafür. Das führte dazu, dass ich mich aus dem sozialen Leben zurückzog, sogar von Junggesellinnenabschieden meiner Freundinnen. Stattdessen zog ich es vor, mich auf meine Familie und meinen Beruf zu konzentrieren. So saß ich dann mit Chipstüte und Limonade auf meiner Couch.
Es wurde immer stressiger mit der Kleidung. Häufig bestellte meine Mutter Anziehsachen nach Hause. So konnte ich Stretchhosen anprobieren, die schön elastisch waren und von denen ich gleich mehrere kaufte. Auch Aktivitäten mit meinen Kindern wurden immer schwieriger. Schon allein, wenn wir in der Schule im Kreis auf dem Boden saßen, wurde ich sehr unruhig, wenn ich an das Aufstehen dachte. Wie sollte ich wieder hochkommen, ohne dass die anderen mitbekamen, wie anstrengend das für mich war? Ein weiteres schlimmes Erlebnis war, als ich im Flugzeug nicht in den Sitz passte.
Wie hatte es dazu kommen können, dass ich 140 Kilo wog? Ich war alles so leid – mich selbst und das ständige Betäuben mit Essen. In den letzten Jahren hatte ich es auch nicht geschafft, eine neue Diät zu probieren. Ich wollte einfach nicht mehr und hatte mich fast aufgegeben. Viele meiner Kolleginnen und Freunde hatten erfolgreich eine Magenbypass-Operation machen lassen. Für mich war dieser Eingriff keine Alternative, gab es doch zu viele Komplikationen.
Doch den Gewichtsverlust anderer und dagegen meine eigenen Probleme zu sehen, spornte mich an. Zu diesem Zeitpunkt stolperte ich über LCHF. Die Ernährung, mit der wir es schafften abzunehmen, – ich 70 und mein Mann 45 Kilo. Obwohl mein Mann am Anfang sehr skeptisch bei der neuen „Diät“ war. Heute sind es schon zwei Jahre, in denen wir unser Gewicht halten. Ich habe jetzt keine Angst mehr, dass auch diese „Diät“ wieder misslingen könnte, ich fühle mich mit meinem neuen Lebensstil einfach sicher. Ich weiß nicht, ob es ein Geheimnis für mein Gelingen gibt. Es war so wichtig, an einen Punkt zu kommen, an dem es nicht weitergehen konnte. Meiner Meinung nach ist das Mentale ein wichtiger Teil des Ganzen. Wenn mich Heißhunger überkommt, dann gehe ich in mich und denke darüber nach, ob es diese Chips wirklich wert sind gegessen zu werden. Wie fühlt man sich denn danach? Als Verlierer!
Für mich war es wichtig, wenn ich unsicher wurde und Zweifel in meinen Gedanken auftauchten, mich mit allem auseinander zu setzen. Dabei halfen häufig ein Spaziergang und der Wille zum Durchhalten. Es ist auch schön, eine Freundin anrufen zu können, die einem Mut zuspricht und einen anspornt. Das Wichtigste von allem ist aber kleine Erfolge zu feiern, sich Belohnungen zu gönnen und nicht nur das große Ziel zu sehen. Denn es gibt so viele gute Gefühle und Kraft, ein kleines Ziel zu erreichen, sodass es einfacher wird, zum nächsten Teilziel zu gelangen. Hätte ich als Ziel gehabt: Lindha, du musst jetzt 70 Kilo abnehmen, hätte es mich erdrückt. Ehrlich, mein Ziel war es, ein UHU zu werden, also eine zweistellige Ziffer zu haben. Aber als meine Reise voran ging, veränderten sich auch meine Ziele.
Ich habe früher auch Nägel gekaut, und das von früh bis spät. Wenn ich schlafen ging, war ich gezwungen, die Hände über die Decke zu legen, denn es pochte in meinen Fingerkuppen. Im Zusammenhang mit meiner Gewichtsreise beschloss ich, auch mit dem Nägel kauen aufzuhören, denn ich schämte mich für meine unansehnlichen Fingernägel (oder für das, was von ihnen übrig war). Eines meiner ersten Teilziele war es, sobald meine Nägel nachgewachsen waren, in einen Salon zu gehen und mir französische Nägel machen zu lassen. Als dieser Tag kam, fühlte ich mich unglaublich weiblich. Ich hatte in der ganzen Zeit Bilder von meinem Ziel im Kopf. Mit diesen Bildern habe ich gespielt, phantasiert und sie immer wieder bearbeitet. Das klingt vielleicht albern, doch so habe ich immer meine
Meilensteine gesehen und mir ihr Erreichen ausgemalt. So habe ich mir zum Beispiel vorgestellt, wie ich in meiner neuen hübschen Sportkleidung laufe und zwei Zöpfe habe. Dieser Tag kam dann auch und gab mir weitere Kraft. Auch beschloss ich, Vårruset (ein 5 km-Lauf, der in 17 schwedischen Städten durchgeführt wird. Anmerkung der Redaktion.) und Tjejmilen (Schwedens größte Sportveranstaltung für Frauen für verschiedene Laufstrecken. Anmerkung der Redaktion.) zu laufen.
Vor dem ersten Lauf, Vårruset, habe ich eine Playlist erstellt, die genau so lang war, wie die Zeit, in der ich die 5 Kilometer laufen wollte, nämlich unter 30 Minuten. Ich beschloss, und sah das auch als Film in meinen Gedanken, dass wenn der letzte Kilometer kommt, ich mein bestes Motivationslied hören würde würde, um mir den Schub zu geben, den ich benötige. Es gelang mir, ich kam in der Zeit ins Ziel, die ich erreichen wollte und das war ein unbeschreibliches Gefühl. Selbstverständlich war meine Gewichtsreise mehrere Male von Zweifel, Ungeduld, Tränen und Resignation geprägt. Doch das, was ich beschrieben habe, hat mir geholfen, mein Gewicht zu halten, Schritt für Schritt voranzugehen und immer wieder neue Ziele zu setzen. Motivation ist wie Frischware, die stets erneuert werden muss. Ein Ziel zu haben, nach dem man streben kann, auch wenn man nicht abnehmen muss, ist wichtig, um sich gut zu fühlen.
Ich liebe es zu schreiben und das hatte ich völlig vergessen. Als ich klein war, habe ich mir Geschichten ausgedacht. Bekannte meinten, ich müsse über meine Gewichtsreise bloggen, doch ich war zögerlich, da ich selbst keine Blogs las und auch keinen Schimmer hatte, wie man das macht. Doch heute fühlt es sich prima an, selbst einen Blog zu haben und dort zu schreiben. Hier bekomme ich die Bestätigung meiner Leser, dass ich genau das schreibe, was sie lesen möchten. Mein Traum ist es, einmal ein Buch über meinen Weg zu schreiben, da ich dort alles viel detaillierter berichten kann.
Zu Beginn meiner Zeit als Bloggerin war ich mit dem Schreiben etwas vorsichtig. Jetzt bin ich aber sicher, dass ich anderen etwas mit auf den Weg geben kann – auch wenn ich jetzt über 40 bin, also in der Life Balance mit Kindern und Beruf. Es funktioniert, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen, ohne Operation, auch wenn ich die Wahl anderer respektiere. Genau so, wie ich diejenigen respektiere, denen es mit Übergewicht gut geht. Ich schreibe darüber, wie es mir ging und was ich dachte und fühlte. Ich empfinde die Stimmung in meinem Blog als sehr angenehm, die Leser und ich helfen uns gegenseitig.
Manchmal könnte ich mich ausgeliefert fühlen, wenn ich über sensible Themen schreibe und Bilder von früher zeige. Aber ich finde es wichtig, dies zu tun, um glaubwürdig zu sein. Ich möchte zeigen, dass ich wirklich 70 Kilo abgenommen habe und meine Haut gut mit der Abnahme klar gekommen ist, falls das jemand bezweifelt. Mit meiner Haut hatte ich viel Glück – was ein Bonus ist – und das können so auch alle schwarz auf weiß sehen.
Manchmal ist es komisch, gefragt zu werden: „Was hältst du davon?“, „Kannst du eine Vorlesung halten und bloggen?“, „Was glaubst du, wem du ähnlich bist?“ Und dann sehe ich mich auf der Titelseite einer Zeitung und frage mich, ob ich das wirklich erlebe, ob ich wirklich 70 Kilo abgenommen habe, ob ich das wirklich bin? Seltsame Gedanken kommen dann manchmal hoch und fühlen sich so an, als wollte ich zurück in meine sichere Welt auf dem Sofa.
Doch ich versuche positiv zu denken. Die Leser meines Blogs lesen diesen freiwillig und die, die mich sehen wollen, kommen ebenfalls freiwillig. Ich habe niemanden gezwungen, etwas zu machen. Es ist meine Geschichte, meine Wahrheit, die ich für alle Interessierten erzähle und ich freue mich so sehr über alle, die ich damit erreiche.
Das Leben ist spannend und neue Herausforderungen zu wagen ebenso. Ich arbeite als Hilfskrankenschwester und liebe es, jenen zu helfen, die mich in diesem Beruf benötigen. Das ist dieselbe Motivation, die ich auch für meinen Blog habe: Anderen Menschen durch meinen Blog zu einem besseren Gewicht und zu mehr Motivation zu verhelfen.
Lindha Vikström
Lindhas Gewichtsreise wurde im Low Carb – LCHF Magazin 3/2015 publiziert. Das Magazin ist hier zu bestellen http://www.expert-fachmedien.de/gesundheit-und-ernaehrung/lchf-magazin/
www.LCHF-Deutschland.de