Interview mit Lucia Aronica – LCHF Forscherin in Stanford
Julia Tulipan interviewt die Stanford-Forscherin Lucia Aronica
Wie ich mit LCHF meine Gesundheit und mein Gewicht in den Griff bekommen habe – Schlank sein heißt nicht gesund sein
In diesem speziellen Beitrag erzählt uns Lucia, wie sie ganz natürlich bei Low Carb High Fat (LCHF oder auch Paleo + Milchprodukte) gelandet ist. Das Interesse an der Forschung in diesem Bereich, brachte sie Anfang Februar 2015 nach Stanford, um dort die wichtigen Fragen zu LCHF als Ernährungsform zu klären.
Ich habe Lucia kurz vor ihrer Abreise nach Amerika in Wien interviewen können. Als Forscher und Daten-Geek hatte sie zwei Blutbefunde mit, die sehr eindrucksvoll zeigen, was man mit Ernährung alles erreichen kann. Doch dazu später mehr.
Lucia ist eine schlanke, hübsche Italienerin der man nicht ansieht, dass sie mit Ihrer Ernährung schon durch alle Höhen und Tiefen gegangen ist.
Lucia Aronica:
Als Kind war ich dick. Bei uns waren immer die italienischen drei „P“ beim Essen wichtig: Pizza, Pasta, Pane (Brot)
In der Pubertät dann, habe ich gemerkt, dass ich etwas ändern muss und habe dann sehr viel Gewicht verloren. Ich habe eine normale westliche Ernährungsweise (Viele Kohlenhydrate, aber gesamt Kalorienreduziert) gegessen. Wenig Reis, Wenig Brot. Einfach von allem weniger.
Gewicht ist aber nicht gleich Gesundheit
Nach meinem Master Studium, mit 25 Jahren war ich schlank, ich würde eher sagen, dürr. Eigentlich war ich aber nicht gesund.
Ein Freund hat mir empfohlen mit Sport anzufangen und etwas Muskelmasse aufzubauen. Er hat mir Cardio verboten und ich durfte nur Muskelaufbau Training machen. Ich bin sehr zielstrebig und so habe ich in einem Jahr 12 kg zugenommen, das meiste davon war Muskelmasse.
Während dieser Zeit habe ich mich eher Eiweiß-(Protein)lastig ernährt. Ich habe von einer kohlenhydratreichen, kalorienreduzierten auf eine kohlenhydrat- und eiweißreiche Ernährung umgestellt. Auch die Kalorien hatte ich nicht mehr eingeschränkt, wenn ich viel Sport gemacht habe. Das war noch keine Low Carb/kohlenhydratreduzierte Ernährung. Zu diesem Zeitpunkt wollte mein Trainer sogar, dass ich bei Wettkämpfen mitmache. Ich hatte damals 6 Kilogramm mehr als heute, und das meiste davon waren Muskeln.
Ich war natürlich begeistert von meinen Fortschritten. Ich war glücklich und sagte mir, dass ist das richtige Lebensziel: Viel Sport und viel Essen.
Für ein paar Jahre hat das auch gepasst, aber dann habe ich das Doktorat angefangen und hatte beruflich mehr zu tun. Da habe ich gespürt, dass mein Leben nicht in Balance war. Zu viel Sport, zu viel Essen. Ich habe auch zu viel Energie für den Sport aufgewendet. Ständig habe ich darüber nachdenken und mein Training planen müssen, was nach einigen Jahren einfach zu anstrengend wurde. Nicht physisch sondern psychisch.
Da habe ich mir gedacht: ich sollte eine bessere Strategie finden, und habe angefangen die aktuelle Literatur zu lesen. Zuerst begann ich mein Essen umzustellen. Nach und nach habe ich deshalb die Kohlenhydrate reduziert. Dann hatte ich aber Hunger und deshalb habe ich einfach begonnen mehr Fett zu Essen. Auch hier hat mir meine Literatur-Recherche gezeigt, dass ich keine Angst haben muss, wenn ich mehr Fett esse (solange ich die Kohlenhydrate einschränke). Gary Taubes „Good Calories, Bad Calories“ war auch ein Augenöffner für mich. Dann habe ich im Internet die Podcasts (Internet Radio Programme) auf Englisch entdeckt und besonders „Humans are not broken“ von Angelo Coppola war ein guter Einstieg für mich.
Wir Menschen sind standardmäßig nicht kaputt
Auch bei Robb Wolf, Chris Kresser und Jimmy Moore habe ich mehr über diese Art der Ernährungsweise erfahren. Ich habe mich weiterhin konsequent ernährt.
Und ich habe gesehen, dass sich meine Blutwerte so positiv verändert haben. Da habe ich gewusst: das ist wirklich etwas, das ich weitermachen möchte.
Ich fühle mich jetzt ganz anders. Wenn man zu viel Sport macht, kann man zwar gut ausschauen, aber das kann man nicht durchhalten. Auch die Ernährungsweise ist nicht nachhaltig. Ständig dreht sich alles um Essen und man muss auch viel essen. Mag schon sein, dass Leistungssportler mehr Kohlenhydrate vertragen, aber die machen nichts anderes. Das ist ihr Leben.
Gesundheit und Schönheit treten nicht immer miteinander auf. Es ist glaube ich richtig zu sagen: wenn du gesund bist, bist du auch schön, aber umgekehrt ist es nicht wahr.
Wenn du schön bzw. schlank bist, heißt das nicht, dass man gesund ist
Ich selber war schlank (dürr). Der ganze Wahn vom schlank sein, wie ein Modell. Aber ich war nicht gesund, hatte keine Energie, keine Muskeln.
Ich fühle mich jetzt viel ausgeglichener mit viel weniger Aufwand. Ich mache immer noch Sport, aber viel weniger. Hauptsächlich Krafttraining. Ich bin kräftig genug, um Liegestütze und Klimmzüge zu machen. Ich gehe zweimal in der Woche ins Fitness Studio, um meine Beine mit Gewicht zu trainieren. Außerdem finde ich den sozialen Aspekt am gemeinsamen Training im Fitness-Center wichtig, sonst ist man zu isoliert, wenn man nur zu Hause trainiert. Und zweimal pro Woche macht mir Spaß.
Die Leute sagen immer zu mir: aber du musst ja so viel Laufen, um so auszuschauen. Aber ich laufe nie; ich würde das nie machen.
Ich habe vor kurzem diesen Vortrag von Robert Lustig gesehen.
Er sagt: „Weniger Kohlenhydrate bedeutet auch weniger freie Fettsäuren. Das führt zu weniger Insulin. Mehr Kohlenhydrate bedeuten mehr Fettsäuren und führen zu Dislipidemie“
Robert Lustig
Eigentlich ist eine High Carb Diet eine High Fat Diet
Denn im Endeffekt produziert dein Körper aus den Kohlenhydraten, die du nicht sofort (z.B. wegen Sport) verbrauchen kannst, Fett. Die Lipide (Fette), die produziert werden führen zu einer erhöhten Produktion von VLDL (Very Low Density Lipoproteins), die dann in Folge zu kleinen LDL Partikeln werden (LDL Cholesterin in den Blutwerten wird im Volksmund auch „das schlechte Cholesterin“ genannt). Außerdem ist das hormonelle Umfeld bei einer kohlenhydratreichen Ernährung schlecht (viel Insulin), im Gegensatz zu einer wohl formulierten kohlenhydratreduzierten Ernährung.
Mein praktischer Arzt hat mir dann bei meinem letzten Befund gesagt:
„So ein hohes HDL Cholesterin, das ist genetisch“.
Das ist aber vollkommener Unfug. Ich habe ja meinen Befund aus 2008, wo ich mich zwar relative gesund ernährt habe, aber noch nicht nach einer wohl formulierten kohlenhydratreduzierten Ernährungsweise.
Ich freue mich, jetzt Anfang 2015 für ein Jahr in Amerika an aktuellen Forschungsprojekten teilzunehmen. Mein Forschungsgebiet ist die Epigenetik .
Die Epigenetik ist ein Fachgebiet der Biologie, welches sich mit der Frage befasst, welche Faktoren die Aktivität eines Gens und damit die Entwicklung der Zelle zeitweilig festlegen (= „Gene an/ausschalten“). Einer dieser Faktoren ist auch unsere Diät. Was wir essen – und nicht essen – kann einen großen Einfluss auf unserer Entwicklung haben, und schlechte Ernährung während der Schwangerschaft ist mit einer erhörten Prädisposition für Krankheiten in den nächsten Generationen verbunden[[i]]
„2014 habe ich einen Artikel über das Thema Diät, Epigenetik und Gesundheit geschrieben, der mit von dem Datenbank Europe PubMed Central ausgezeichnet wurde [ii]
Vor ein paar Monaten habe ich dann einen Vorschlag für ein Projekt über Epigenetik und Diät an den Professor für Medizin an der Kalifornischen Universität Stanford, Christopher Gardner geschrieben.
Gardner, der Autor der A-Z Diät Studie [iii], hat meine Idee sehr interessant gefunden und mich eingeladen, sie im Bereich seiner aktuellen Studie des NUSI fortzusetzen.
Besonders interessant ist, dass bei der Studie „Effekt der Makronährstoffkomposition auf Gewichtsverlust und dem Risiko für chronische Krankheiten mit einer maximalen Abweichung zwischen den Ernährungsweisen in einem frei-lebenden Aufbau“ auch die klassischen bzw. kohlenhydratreichen Ernährungsweisen auf „gute Kohlenhydrate“ und „gute Fette“ setzen. Bis jetzt ist bei diesen Studien aber das Problem gewesen, dass die Teilnehmer sich zwar „High Fat“ ernährt haben, diese dann aber oft Großteils von Fast Food stammen (Pflanzenfette, Frittiertes, etc.) was absolut nichts mit meiner wohl formulierten kohlenhydratreduzierten fettreichen Ernährungsweise zu tun hat. Auch umgekehrt gibt es Low Fat Diäten, die kiloweise Weißbrot und Getreide essen. Mit dieser Studie sollen gut formulierte Diäten (sowohl Low Carb also auch High Carb) verglichen werden.
Die Blutwerte
Lucia hat uns noch Ihrer Blut Befunddaten gegeben, die ich kurz erklären möchte. Gesamtcholesterin ist schon lange kein zuverlässiger Marker mehr, um Herzgefäß Krankheitsrisiko abschätzen zu können[iv] [v]. Gesamtcholesterin muss man eher U-Förmig als Riskofaktor sehen. Zu niedriges (unter 150-170 mg/dl) und zu hohes Gesamtcholesterin (weit über 250mg/dl) sind mit einer höheren Gesamtsterblichkeit verbunden. Auch wenn Lucia beim Befund 2013 über der magischen Grenze von 200 mg/dl liegt, so heißt das eben NICHT, dass sie ein erhöhtes Risiko hat. Der aussagekräftigere Wert Triglyzeride / HDL Cholesterin ist deshalb ebenfalls angegeben[vi]. Die Triglyzeride zeigen übrigens direkt, wie viel Kohlenhydrate man isst. Mehr Kohlenhydrate = Mehr Triglyzeride. Auch 80 mg/dl sind hier schon ein „guter“ Wert und sagen uns, dass Lucia im April 2008 schon weniger einfache Kohlenhydrate und wohl mehr Vollkorn gegessen hat. Typische Low Carber haben einen Triglyzerid-Wert zwischen 30 und 60.
April 2008 | Juni 2013 | Besser/Schlechter | |
Ernährung | Österreichische Ernährungspyramide, aber mit etwas weniger Getreide bzw. Kohlenhydraten | well-formulated low carb diet | |
Gesamtcholesterin | 177 mg/dl | 206 mg/dl | SEHR GUT |
HDL Cholesterin “das gute Cholesterin” |
64 mg/dl | 131 mg/dl | SEHR GUT |
Triglyzeride (Fett im Blut) | 80 mg/dl | 32 mg/dl | SEHR GUT |
Risko für Herzkrankheiten
TG/HDL (sollte für Frauen unter 3,5 liegen) |
1,33 | 0,24 | SEHR GUT |
Zusätzlich gibt es oft die Angst, das eine kohlenhydratereduzierte Ernährung zu Schilddrüsen Unterfunktion führt. Im Jahr 2013 hat Lucia deshalb auch ihr TSH (Thyroid Stimulating Hormone – Schilddrüsen stimulierendes Hormon) testen lassen. Einfach ausgedrückt sagt man: Je höher dieser Wert ist, desto kaputter ist die Schilddrüse.
THS Juni 2013: 0,73 (Normalwerte laut Labor 0,27 bis 4,2)
Das heißt also, dass Lucia’s Schilddrüse ganz normal funktioniert und das stimulierende Hormon kaum ausgeschüttet werden muss.
Vielen herzlichen Dank Julia Tulipan und Lucia Aronica.
Sie möchten Julia Tulipan live erleben? Dann empfehlen wir Ihnen den 1. Deutschsprachigen Low Carb – LCHF Kongress Europas in Düsseldorf. Am 11. Februar 2017 treffen sich namhafte Experten und Gesundheitsinteressierte in Düsseldorf. Mit dem Kongress wird eine attraktive Plattform für alle Low Carb – Ernährungsformen geschaffen.
www.LCHF-Deutschland.de
[i] Proc Natl Acad Sci U S A. 2008 Nov 4;105(44):17046-9. doi: 10.1073/pnas.0806560105. Epub 2008 Oct 27.
Persistent epigenetic differences associated with prenatal exposure to famine in humans.
Heijmans BT1, Tobi EW, Stein AD, Putter H, Blauw GJ, Susser ES, Slagboom PE, Lumey LH. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18955703
[ii] How healthy eating could starve out cancer
By Lucia Aronica
Max F. Perutz Laboratories, Austria
People’s Choice award winner http://a2ucomp.org/story/i/
[iii] JAMA. 2007 Mar 7;297(9):969-77.
Comparison of the Atkins, Zone, Ornish, and LEARN diets for change in weight and related risk factors among overweight premenopausal women: the A TO Z Weight Loss Study: a randomized trial.
Gardner CD1, Kiazand A, Alhassan S, Kim S, Stafford RS, Balise RR, Kraemer HC, King AC.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17341711
[iv] Low Serum Cholesterol Level and Increased Ischemic Stroke Mortality FREE
Hisako Tsuji, MD http://archinte.jamanetwork.com/article.aspx?articleid=487087
[v] Effect of Different Antilipidemic Agents and Diets on Mortality
A Systematic Review http://archinte.jamanetwork.com/article.aspx?articleid=486503
[vi] J Investig Med. 2014 Feb;62(2):345-9. doi: 10.231/JIM.0000000000000044.
Triglyceride-to-high-density-lipoprotein-cholesterol ratio is an index of heart disease mortality and of incidence of type 2 diabetes mellitus in men.
Vega GL1, Barlow CE, Grundy SM, Leonard D, DeFina LF.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24402298