Süßstoffe – Fluch oder Segen?
Süßstoffe sind seit Jahrzehnten Zankapfel zwischen Gesundheitsbewussten, Forschenden und Genießern. In diesem Beitrag nimmt Gnubbel uns mit auf eine spannende Spurensuche durch Erkenntnisse, Irrtümer und persönliche Beobachtungen – auf der Suche nach der Wahrheit hinter der süßen Täuschung.
Der ewige Streit um die Süßstoffe

Süßstoffe
Eine schier unüberschaubare Anzahl von Studien rankt sich um das Thema Süßstoffe. Deren Ergebnisse sind nicht minder vielfältig: Einige Studien haben herausgefunden, dass Süßstoffe den Appetit anregen, indem sie die Insulinreaktion beeinflussen, und somit nicht nur alle Abnehmversuche erfolgreich boykottieren, sondern auch Diabetes fördern, andere haben ergeben, dass Süßstoffe die Darmflora so verändern, dass unser natürliches Sättigungsgefühl ausgehebelt wird, einige versteigen sich sogar zu der Aussage, dass Süßstoffe unsere Blutgefäße schädigen, Herz-Kreislauf-Probleme verursachen, das Blut verklumpen, das Immunsystem schädigen, ja, sogar Krebs fördern können – und das Bundesinstitut für Risikobewertung sagt: „Mehrheit der Studien bestätigt keine Gesundheitsbeeinträchtigung“. Und immer wieder: Die Studienlage ist unzureichend, es bedarf weiterer Forschung. Mit anderen Worten: Wir dürfen uns aus dem Strauß je nach Gusto das für uns Angenehmere oder Sicherere heraussuchen.
Aber wo liegt die Wahrheit? Nun, bekanntlich ist die Wahrheit eine Schatzkiste, nach der man oftmals lange graben muss. Und dabei lohnt es sich durchaus, einmal auf die Qualität der betreffenden Studien zu achten, die oftmals sehr zu wünschen übriglässt. So gibt es zum Beispiel Studien, die die Anzahl der Diabetiker unter den Zucker- und den Süßstoffkonsumenten miteinander verglichen und daraus messerscharf geschlussfolgert haben, dass der Genuss von Süßstoffen Diabetes fördert. Dass Diabetiker von Haus aus öfter zu Süßstoffen greifen, ging aus diesen Studien leider nicht hervor.
Aber es reicht nicht, nur den Abraum zu beseitigen; wenn man den Schatz ans Tageslicht holen will, muss man noch etwas tiefer graben – und dabei soll uns der folgende Beitrag ein wenig helfen.
Klassische Konditionierung: Essen auf Kommando
Im Jahr 1888 gelang dem russischen Physiologen Iwan Pawlow eine Entdeckung mit weitreichenden Folgen: Er hatte bei seinen Hunden beobachtet, dass der Speichelfluss nicht erst bei der Nahrungsaufnahme, sondern bereits beim bloßen Anblick der Nahrung einsetzte. Davon ausgehend, wollte er wissen, ob auch ein anderer Sinnesreiz diesen Speichelfluss auslösen kann. Deshalb ließ er bei der Bereitstellung des Futters jeweils einen Glockenton erklingen. Nach einiger Zeit hatte sich seine Annahme bestätigt: Es genügte bereits der Glockenton, um den Speichelfluss auszulösen, unabhängig davon, ob Futter bereit stand oder nicht. Das Gehirn des Hundes war also darauf konditioniert, beim Ertönen dieses Glockentons Nahrung zu erhalten, und löste die dazugehörigen körperlichen Vorgänge aus.
Dass auch uns Menschen beim Anblick eines Leckerbissens, ja, sogar beim bloßen Gedanken daran, das Wasser im Mund zusammenläuft, ist an sich nichts Ungewöhnliches; der ganze Organismus wird quasi auf die Nahrungsaufnahme vorbereitet. Das Gehirn ist somit in der Lage, den kommenden Energieschub bereits vorwegzunehmen und die entsprechenden Stoffwechselvorgänge präventiv auszulösen. Das macht auch Sinn, denn wenn wir zum Beispiel Zucker essen, sollte das Insulin nicht erst ausgeschüttet werden, wenn die Glukose im Gehirn ankommt, sondern sollte schon bereitstehen, wenn der Zucker den Zwölffingerdarm passiert. Dazu wertet das Gehirn einfach das Geschmackssignal „süß“ aus, das ja bereits im Mund entsteht, und lässt daraufhin das Insulin sprudeln. Dies wird durch den Hypothalamus so fein geregelt, dass im Gehirn genau so viel Glukose ankommt, wie es für einen optimalen Energiezustand benötigt.
Süßstoffe – vom Training zur Täuschung
Das Training …
Haben wir uns schon mal gefragt, warum wir, wenn wir jemandem die Hand geben, nur ganz selten danebengreifen? Oder wenn wir die Gabel zum Mund führen, diesen so gut wie nie verfehlen, obwohl wir unseren Mund doch gar nicht sehen können? Oder wenn vor unserem Auto plötzlich ein Hindernis auftaucht, instinktiv auf das Bremspedal treten, das wir ebenfalls nicht sehen können? Der bekannte Musiker José Feliciano ist seit seiner Geburt blind, und wenn seine Finger kreuz und quer über das Griffbrett seiner Gitarre wirbeln, dann fragt man sich, wie schafft er es bei dem irrsinnigen Tempo, immer genau die richtige Saite und den richtigen Bund zu treffen?
All diese Vorgänge folgen demselben Mechanismus: Schon als Kleinkind haben wir nach verschiedenen Gegenständen gegriffen, tapsig einen Fuß vor den anderen gesetzt und dabei unser Gehirn trainiert, Sinneseindrücke, also Bilder, Töne, aber auch das Zusammenspiel unserer Muskeln in zielgerichtete und zunehmend treffsichere Bewegungen zu übersetzen. Dieser Vorgang wird als Antizipation, auf Deutsch: Vorwegnehmen, bezeichnet. Unsere Augen sehen also einen Gegenstand, und dieser Sinneseindruck wird im Gehirn in Nervenimpulse übersetzt, die uns zielsicher nach diesem Gegenstand greifen lassen. Und wenn wir dies oft genug ausgeführt haben, dann wird der gesamte Vorgang so im Gehirn abgespeichert, dass wir den Gegenstand nicht einmal mehr sehen müssen, um ihn trotzdem genau zu treffen.
… und die Täuschung
Auf dieselbe Art funktioniert auch unser Geschmacksempfinden: Wir schmecken etwas Süßes, und unser Gehirn übersetzt dies in „Jetzt gibt es gleich eine Ladung Energie“. Da es aber in den seltensten Fällen akuten Energiebedarf hat, verstellt es vorbeugend seinen Sensor so, dass die Insulinproduktion erhöht wird, genau so, als wäre diese Energie nicht erst unterwegs, sondern bereits im Gehirn. Damit vermeidet es schon im Vorfeld den erwarteten massiven Energieüberschuss, und andererseits fällt auch die „Zuckerspitze“ im Blutkreislauf viel flacher aus, wenn bereits Insulin da ist. Dazu bedarf es keiner Botenstoffe und keiner Darmbakterien, diese Steuerung erfolgt ausschließlich über Nervenimpulse im Gehirn.
Leider weiß aber unser Gehirn nicht, dass im Süßstoff gar keine Energie enthalten ist, und bekommt dies erst mit, wenn aufgrund dieser Fehlregulierung bereits ein Energiemangel eingetreten ist. Dann erst kann es mit einer Absenkung des Insulins gegensteuern, und bis die Glukose erst im Blut und dann im Gehirn angelangt ist, geht wertvolle Zeit verloren, in der das Gehirn unter Energiemangel leidet, der durch den entstehenden Stress noch verstärkt wird. Mit anderen Worten: wir bekommen einen Heißhunger auf Süßes, und es ist aus dem genannten Grund überhaupt keine gute Idee, diesen mit Süßstoff stillen zu wollen.
In einer im Journal „Cell Metabolism“ veröffentlichten Studie wurde im Tierversuch festgestellt, dass der Konsum von Aspartam zu insulininduzierten Entzündungen der Gefäße mit nachfolgender Atherosklerose führt. Ich bin überzeugt, dass das mit jedem anderen kalorienfreien Süßstoff auch funktioniert hätte, denn damit wurde der Beweis erbracht, dass das süße Geschmackssignal ausreicht, um sowohl eine deutliche Insulinantwort als auch eine ebenso deutliche Stressreaktion des Gehirns zu provozieren, die auf die Dauer zu den beschriebenen Gefäßschäden führt.
Sollten wir auf Süßstoffe lieber verzichten?
Diese Frage hatte ich mir auch gestellt, nachdem ich vor fast zehn Jahren die zuckerreichen Softdrinks konsequent durch kalorienfreie Limonade ersetzt und davon erst einmal einen ausgeprägten „Hungerast“ bekommen hatte; seither trinke ich bei jeglicher körperlicher Aktivität ausschließlich pures Wasser. Andererseits süße ich heute meinen Kaffee und auch diverse Süßspeisen gerne mit Sucralose und kann danach keinen Energiemangel oder Hunger auf Süßes feststellen; auch meine Blutzuckerwerte haben sich dadurch nicht verändert.
Dafür war vor einiger Zeit bei einem Glukosetoleranztest eine andere Besonderheit aufgetreten: Nachdem ich die obligatorischen 75 Gramm Glukose zu mir genommen hatte, stieg mein Blutzuckerwert zuerst ungewöhnlich steil an, um danach ebenso steil wieder abzufallen. Leider ist mir keine Studie bekannt, die diesem Effekt auf den Grund gegangen ist (aber vielleicht gibt es eine solche, denn die Empfehlung, in den Tagen vor dem Test reichlich Kohlenhydrate zu konsumieren, muss ja auf irgendetwas begründet sein), deshalb biete ich eine ebenso einfache wie logische Schlussfolgerung an:
Wenn das Gehirn lernen kann, dass auf das Geschmackssignal „süß“ ein Energieschub erfolgt, warum soll es dann, flexibel und anpassungsfähig, wie es nun mal ist, nicht auch lernen können, dass dieser Energieschub eben nicht erfolgt, weil das Geschmackssignal von kalorienfreiem Süßstoff herrührt? Dann wiederum würde bei der Einnahme von Glukose keine präventive Insulinauschüttung mehr erfolgen, das Gehirn würde erst reagieren, wenn die Glukose dort angekommen ist, und in der Zwischenzeit würde der Blutzucker ungehindert ansteigen, wie es bei mir der Fall war.
Fazit: Der richtige Umgang mit Zucker und Süßstoffen ist entscheidend
Dies würde allerdings bedeuten, dass wir, wenn wir unser Gehirn erst einmal auf Süßstoffe konditioniert haben, dann auch dabei bleiben und alles, was im Verdauungstrakt zu Zucker wird, auf ein Minimum beschränken sollten, um die starken Blutzuckerschwankungen, die vom Gehirn nun nicht mehr abgefedert werden, zu vermeiden. Andererseits wäre es natürlich auch möglich, das Gehirn wieder an Zucker zu gewöhnen und dafür auf Süßstoff zu verzichten. Nur sollte man sich für eins von beidem entscheiden.
Und nun harre ich gespannt der Studien, die mir die Logik hoffentlich mit Evidenz untermauern werden.
Über den Autor:
Gnubbel schreibt mit Neugier, Humor und Tiefgang über die kleinen und großen Fragen rund um Ernährung, Gesundheit und Lebensweise. Seine Texte sind immer ein bisschen wie das Leben selbst: voller Widersprüche, Überraschungen – und mit einer ordentlichen Portion Nachdenklichkeit gewürzt. Wenn er den Dingen auf den Grund geht, dann nicht, um recht zu behalten, sondern um zu verstehen.
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