Interview: Bettina Meiselbach von LCHF Deutschland aus dem Low Carb – LCHF Magazin 3 / 2017
Vor einigen Jahren waren Sie wegen Ihres Übergewichts zur Kur, dort bekamen Sie die Diagnose Diabtetes-Typ-2. Wie haben Sie das verarbeitet?
Es ist ziemlich genau 4 Jahre her, dass mein Weg mit der Reha im Oktober 2013 den Anfang genommen hat. Es war nicht mein Übergewicht, was der Anlass für die Reha war, sondern mein damaliger Erschöpfungszustand. Aufgenommen wurde ich daher im psychosomatischen Teil der Klinik. Praktisch war jedoch, dass die Reha-Einrichtung ebenfalls einen großen Bereich zur Gewichtsreduktion hatte, so konnte ich gleich zwei Problemfelder gemeinsam beackern. Die Klinik hatte ich mir selbst schon mit dem Hintergedanken ausgesucht, gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen zu können. Dass dann noch die Diabetes-Diagnose hinzukam und ich auch noch eine „dritte Fliege“ erschlagen musste, war eine unschöne Überraschung. Aber wie der Zufall es wollte, saß ich da wie ein begossener Pudel in einer Fachklinik für Stoffwechselstörungen. Man war auf metabolische Katastrophen wie mich vorbereitet und so wurden aus zwei Rehas eben drei auf einen Schlag. Burnout, Adipositas und Diabetes. Mein Stundenplan war rappelvoll.
Die Diabetes-Diagnose hat mich zutiefst geschockt. Die ersten Tage habe ich mir noch eingeredet, dass die Zuckerwerte wegen des Rehastresses zu hoch waren. Aber spätestens nachdem ein Langzeitwert von über 9 gemessen war, konnte ich die Augen nicht mehr vor der Realität verschließen. Es hatte mich wirklich erwischt. Nun gut. Alle Belastungsfaktoren für die Diabetes-Erkrankung hatte ich mit voller Punktzahl abgeräumt. Viel zu dick, total bewegungsfaul, kohlenhydratreiche Ernährung und dann noch eine familiäre Vorbelastung, die Warnung genug hätte sein müssen. In der Konstellation ist die Diabetes-Erkrankung also die logische Konsequenz und es ist nur meiner jahrelangen Verdrängungskunst zu verdanken, dass ich mich wirklich überrascht gefühlt habe. Ich habe geheult, mich ausgiebig bemitleidet und hätte mir am liebsten selbst in den dicken Arsch gebissen. Natürlich habe ich schnell erfasst, dass ich einen nicht unerheblichen Teil der Situation selbst verschuldet hatte. Das Kind in mir saß im Brunnen und ich bekam Panik, wie ich wohl aus dem Loch wieder rauskomme. Mein Schock wurde in der Klinik jedoch gut aufgefangen. Ich hatte die Unterstützung einer Psychologin und saß eine Woche später schon in einer Diabetesschulung, um Bekanntschaft mit der für mich neuen Krankheit zu machen.
Nach vielen eigenen Recherchen haben Sie Ihre Ernährung auf Low Carb umgestellt, warum hatten Sie kein Vertrauen zu den Empfehlungen der DGE?
Für mich fing alles mit der Diabetesschulung in der Reha an. Ein absolutes Muss für alle Diabetiker und in meinen Augen unverzichtbar. In der Schulung habe ich gleich zu Beginn gelernt, dass ich eine Störung bei der Verwertung von Kohlenhydraten habe. Meinem Stoffwechsel ist es nicht mehr möglich, eine größere Menge an Kohlenhydraten zu verwerten, ohne dass mein Körper dabei langfristig Schaden durch einen überhöhten Blutzucker erleidet. Nach der Stunde mit den Grundlagen war in meinem Kopf klar, dass so wie ich die Krankheit verstanden hatte, die Konsequenz nur lauten kann: Weniger Kohlenhydrate futtern!
Die Schulung ging weiter und zu meiner Verwunderung war von weniger Kohlenhydraten nie die Rede. Es ging um viele unterschiedliche Medikamente, die Berechnung der Broteinheiten für die gegessenen Kohlenhydrate und beim Thema Ernährung wurden wir vor dem bösen dickmachenden Fett gewarnt. Die lieben Kohlenhydrate, die ich ja angeblich nicht mehr gut verstoffwechseln kann, wurden auch weiterhin zum bevorzugten Energielieferanten ernannt, von dem ich bitteschön reichlich essen sollte. Ich war irritiert. In einer Stunde wurde mir erläutert, dass mein Stoffwechsel nur noch wenige Kohlenhydrate verwerten kann und zwei Stunden später lautet das Motto: Macht aber nix, iss trotzdem Kohlenhydrate. Wir bekommen das schon hingespritzt. Mein natürlicher Reflex war direkt: Was soll der Mist? Mit dem großen Fragezeichen im Kopf machte ich mich am gleichen Abend auf die Suche im Internet nach weiteren Optionen und stolperte bei meinen Recherchen über die Logi-Methode und die Möglichkeit, mit weniger Kohlenhydraten der Diabetes-Erkrankung die Stirn zu bieten. Hallo? Warum sagt einem hier in dem Reha-Verein eigentlich niemand, dass es auch anderes gehen kann? Merkt niemand, dass die Patienten hier alle paar Jahre wieder aufschlagen um den erneut entgleisten Stoffwechsel auf mehr Medikamente einzustellen und alle mit der gleichen oder noch mehr Wampe dasaßen? Mit langjährigen Diabetikern in einer Schulung zu sitzen, die Apfelsaft trinkend über zu hohe Zuckerwerte und Schäden an Augen und Füßen fabulierten, war wirklich skurril. Ich hatte auf diese traurige Zukunftsperspektive keine Lust und habe dann für mich entschieden, dass ich nach der Reha nicht den Empfehlungen der DGE, sondern einfach meinem gesunden Menschenverstand folgen werde. Und der rief ganz laut: Iss weniger Kohlenhydrate!
Auf welche Probleme sind Sie bei Ihrer Ernährungsumstellung gestoßen?
Bei der Umstellung habe ich mich erst mal reichlich mit Literatur eingedeckt, mit unterschiedlichen Low-Carb-Varianten beschäftigt und dann gemerkt, dass ich in keine der Schubladen zu 100% passe. Wenn man sich von Logi über Dukan hin zu Strunz, LCHF und Co. durch bestimmt 15 Bücher gehechelt hat, ist man zumindest 3 Schritte weiter und versteht, wie der Stoffwechsel funktioniert. Mit den Erkenntnissen kann jeder dann auch seinen eigenen persönlichen Weg finden. Genau das habe ich gemacht, aber die Hürde der umfassenden Information musste ich natürlich erst einmal nehmen.
Mein Arzt und Diabetologe war von der Idee, dass ich nicht den DGE-Leitlinien folgen will, wenig angetan. Nicht komplett ablehnend, aber er war skeptisch und auch etwas neugierig, was ich da als Patientin aushecke und wohin das wohl führt. Zum Glück hat mein Arzt nicht versucht, mir meinen kohlenhydratreduzierten Weg auszureden. Er war während der ganzen Zeit an meiner Seite und hat mich unterstützt. Keinen Druck zu haben, mich jedes Quartal für das was ich da mache, rechtfertigen zu müssen, war angenehm, denn ich erlebe das von Leser/innen meines Blogs leider auch anders.
Ansonsten fand ich die Umstellung auf Low Carb eher einfach und unkompliziert. Ich habe schon immer lieber die Bolognesesoße als die Nudeln gegessen und fand Sättigungsbeilagen eher nervig. Von daher war es lediglich etwas ungewohnt, nicht mehr dem zu folgen, was einem als Kind eingetrichtert wurde. »Eine Mahlzeit ist nur vollständig, wenn eine Sättigungsbeilage dabei ist.« Nicht mehr in »Sättigungsbeilagen« zu denken, fiel mir und auch meinem direkten Umfeld schwer. Am Anfang hat es immer den Anschein, es würde auf dem Teller etwas fehlen, was aber totaler Quatsch ist und dieses Gefühl verliert sich zum Glück komplett.
Was passierte nach der Ernährungsumstellung?
Abgenommen habe ich vom ersten Tag der Reha an. Also auch Fettpunkte zählen, bringt Fett zum Schmelzen. Alles eine Frage des Energiedefizites und des Preises, den man bereit ist dafür zu bezahlen. Die Ernährung in der Reha war stark unterkalorisch, wenig nährstoffreich und nicht gut sättigend. Ich habe richtig fiesen Hunger geschoben. Nach der Reha und der Umstellung auf Low Carb wandelte sich jedoch das Blatt. Durch den Austausch von kohlenhydrathaltigen Lebensmitteln gegen viel mehr Gemüse in Kombination mit sättigendem Eiweiß und gesunden Fetten war ich auf einmal lange satt und hatte nicht mehr das Bedürfnis, alle zwei Stunden meinen Bauch zu füllen. Der hohe Gemüseanteil sorgte für ein angemessenes Kaloriendefizit in Kombination mit vielen Nährstoffen und der dazu kohlenhydratreduziert niedrige Insulinausstoß begünstigte die Fettverbrennung. Es fluppte und die Kilos schwanden. Ehe ich mich versah, war ich nach einem Jahr etwa 45 Kilo leichter und meine Diabetes-Medikamente los. Was für ein Erfolg und all das, wo ich doch das Gegenteil von dem machte, was man mir in der Reha geraten hatte. Die restlichen 15 Kilos schwanden im darauffolgenden Jahr. Jetzt, vier Jahre später, brauche ich immer noch keine blutzuckersenkenden Medikamente, muss keine täglichen Messungen machen, sondern lasse nur noch quartalsweise den Langzeitwert prüfen, der seitdem bei stoffwechselgesunden Werten verharrt. Was für ein Erfolg und wie viel mehr an Lebensqualität für jeden einzelnen Tag. Nachdem mir der Arzt damals in der Reha eröffnet hat, dass ich binnen eines Jahres höchstwahrscheinlich Insulin bräuchte, habe ich bewiesen, dass Ärzte manchmal ganz schön auf dem Holzweg sind. Auch die Ernährungsberaterin aus der Reha würde wahrscheinlich nach Luft schnappen, wenn sie sehen würde, was ich an Schmausereien auf dem Teller habe. Da sind tatsächlich gesättigte Fette mit auf dem Teller und die 30 g Tagesfettgrenze aus der Reha sprenge ich oft schon beim Frühstück.
Wie kamen Sie auf die Idee einen Blog zu starten?
Die Idee meines Blogs stammt nicht von mir. Mein Mann war derjenige, der mich motivierte meine persönliche Geschichte aufzuschreiben und mit anderen Menschen zu teilen. Ehrlich gesagt hatte ich zuvor keine Blogs gelesen, wusste nicht mal, was das ist. Ich war unsicher. Wer interessiert sich schon für eine stinknormale Person, wie ich es nun mal bin? Dazu hatte ich auch keine Ahnung, ob ich die Fähigkeiten, die es für einen Blog braucht, überhaupt mitbringe. Ich habe meinen Blog dann mehr als Begleiter für mich selbst gesehen, wie ein Personal-Coach und perfekter Zuhörer. Happy Carb wurde so zu meinem kleinen Therapeutikum und war und ist Teil meiner eigenen Verarbeitungsstrategie. Passend war dann noch, dass ich sehr gerne koche und begonnen hatte, die Low-Carb-Rezepte zu notieren, die mir gut schmeckten. Warum meinen Blog nicht auch mit leckeren Rezepten unterfüttern? Nun fehlte noch ein Name und auf einer meiner langen Schwimmbadbahnen kam mir dann der Name zu meinem Happy-Carb-Blog. Ich war damals sehr lange unglücklich und hatte mich auf den Weg ins Glück gemacht. Meine Ernährungsumstellung war und ist ein wichtiger Teil dieses Weges. Da ist der Name des Blogs doch Programm.
Letztes Jahr haben Sie Ihr erstes Buch veröffentlich, was ist das für ein Gefühl?
Es war vollkommen surreal, das eigene Buch in der Hand zu halten. Als ich den Umschlag mit dem ersten Buch geöffnet habe, hätte ich vor Freude um den Kopf herum lachen können. Das ging natürlich nicht, denn die Ohren waren im Weg. Ich habe immer von mir behauptet, dass ich keine besonderen Talente habe und vieles nicht schlecht, aber nichts wirklich gut kann. Und jetzt auf einmal Leser/innen zu haben, die von meinem Buch begeistert sind und dazu von meinen Erfahrungen profitieren und selbst so tolle Erfolge erzielen, macht mich unglaublich stolz. So manche Dankesmail treibt mir da echt Pipi in die Augen und es ist einfach schön.
Inzwischen sind drei Bücher von Ihnen herausgegeben worden, erzählen Sie etwas über die Inhalte.
Es sind sogar schon vier Bücher und dass innerhalb von 12 Monaten. Im Oktober 2016 startete ich mit meinem Sachbuch „Diabetes Typ 2 – nicht mit mir!“, in dem ich meinen Weg aus der Diabetes-Erkrankung beschreibe. Ein sehr persönlicher Erfahrungsbericht mit vielen Ernährungsinfos und natürlich einigen Rezepten aus meiner Happy-Carb-Küche. Im Dezember schloss sich dann das große Kochbuch mit 150 Low-Carb-Rezepten an. Im Juni 2017 wagte ich mich an ein kleineres Buchformat und habe mein erstes Themenbuch gemacht. „Happy Carb to Go – 44 Low-Carb-Rezepte für unterwegs“ war das Thema. Und jetzt, gerade brandaktuell, ist mein zweites großes Kochbuch mit weiteren 150 Low-Carb-Lieblingsrezepten am Start. Wieder ein tolles buntes Buch mit abwechslungsreichen Rezepten und wie immer wunderschön gestaltet und ein Fest für die Augen. Ich mag schöne Bücher und mir lag von Anfang an daran, dass meine eigenen Bücher einfach in jeder Beziehung happy machen.
Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?
Erst einmal versuche ich mir den Traum zu erfüllen, auch von dem Projekt »Happy Carb« leben zu können. Mit einer kleinen Internetseite und Büchern ein angemessenes Einkommen zu erzielen ist nicht leicht und die Zeit wird zeigen, ob es klappt. Es sind auf jeden Fall für das kommende Jahr weitere Bücher geplant. Ich arbeite dazu an einem Happy-Carb-Ernährungsplan, den sich meine Leser/innen schon sehr lange wünschen. Dazu schreibe ich auch für verschiedene Internetplattformen redaktionelle Beiträge und habe erste Anfragen, in denen es um Werbepartnerschaften geht. Warten wir ab, wo es mich mit Happy Carb noch hintreibt und in welche Richtung ich mich entwickeln werde. Ich will mich auch weiterhin nicht verbiegen und nur das machen, was zu mir passt. Wenn alle Stricke reißen, habe ich ja auch noch einen »ordentlichen« Beruf gelernt und müsste dann eben zurück in den Büroalltag.
Was möchten Sie den Menschen mit auf den Weg geben, denen es heute so geht wie Ihnen damals?
Meine erste Empfehlung lautet: Das Hirn einschalten bei allem, was man irgendwo von irgendwem erzählt bekommt. Selbst wenn ein Weißkittel gesprochen hat, immer hinterfragen und zusätzlich informieren. Alles hat immer mehrere Perspektiven und jeder Mensch hat gerade in Sachen Gesundheit mehr in der Hand, als er denkt. Manchmal ist es nur notwendig, den Finger aus dem Po zu nehmen und sich zu bewegen. Nie die Hoffnung verlieren oder denken, dass es zu spät ist. Ich musste auch erst am Boden liegen, um mich zu berappeln und mir an die eigene Nase zu fassen. Zu spät ist es erst, wenn wir tot sind. Es ist also direkt heute ein guter Tag, um an seinem Leben etwas zu ändern. Falls das alleine nicht klappt, dann Hilfe in Anspruch nehmen. Je nach Bedarf mit Gleichgesinnten austauschen oder professionelle Angebote nutzen. Dazu nicht den monströsen Berg betrachten, der vielleicht gerade vor einem liegt. Da dreht man ja lieber gleich um. Besser kleine Etappenziele formulieren, deren Erreichen dann wieder neu motiviert für die nächsten Schritte. Ganz wichtig ist zum Schluss noch der Spaß. Lebensstilveränderungen in Sachen Ernährung und Bewegung helfen nur, wenn sie dauerhaft praktikabel sind. Nichts was uns keine Freude bereitet, oder wenn uns das Essen nicht schmeckt, werden wir nachhaltig als Lebenskonzept umsetzen. Lebe Low Carb so, wie es dir gefällt und guttut! Dazu versuche ich meine Leser/innen immer wieder zu ermutigen.
Vielen Dank für das Interview, liebe Bettina Meiselbach.
Low-Carb-Lieblingsrezepte
Happy-Carb-Bloggerin Bettina Meiselbach präsentiert weitere 150 bunte Low-Carb-Rezepte mit der Extraportion Happiness: Mehr Low Carb Lieblingsrezepte .
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Der Low Carb – LCHF Kongress
Am 17. und 18. Februar 2018 treffen sich namhafte Experten und Gesundheitsinteressierte zum Low Carb – LCHF Kongress in Düsseldorf.
Der Kongress ist eine attraktive Plattform für alle Low Carb – Ernährungsformen. Diese Ernährung stellt eine wesentliche Voraussetzung dar, um mit Leichtigkeit gesund durchs Leben gehen zu können.
Themen des Kongresses sind Demenz, Diabetes, Ketogene Ernährung, Krebs, Rheuma, Sport und Vitamin D. Hier erfahren Sie mehr.
www.LCHF-Deutschland.de und Low Carb – LCHF Kongress 2018
Bildrechte: Bettina Meiselbach und Systemed Verlag