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Ketogene Ernährung fördert T-Zell-Immunität
von Ulrike Gonder
Diese Studie wäre mir fast durch die Lappen gegangen, daher bin ich froh, dass mich eine aufmerksame Kollegin darauf hingewiesen hat. Denn die Ergebnisse, die die Forschergruppe um Prof. Dr. Dr. Simone Kreth von der Klinik für Anaesthesiologie am Walter-Brendel-Zentrum des Universitätsklinikums München schon im Juli 2021 vorgestellt hat, sind aufsehenerregend, wie ich finde. Worum geht es?
Western Diet schädigt die Immunfunktionen
Nicht nur in Zeiten wie der COVID-19-Pandemie ist ein schlagkräftiges Immunsystem von Bedeutung für die Gesundheit. Seit Beginn der Pandemie hat sich aber leider erst SEHR allmählich herumgesprochen, dass dies wichtig ist und dass unser Lebensstil und insbesondere auch die Ernährung eine große Rolle dabei spielen. Wenn man nun noch bedenkt, dass es längst Hinweise darauf gibt, dass ein „westlicher“ Lebensstil (viel Stress, viel Kunstlicht, wenig Bewegung, schlechter Schlaf, etc.) und auch eine „Western Diet“ mit viel Junk food und hoch prozessierten Produkten in der Lage sind, chronische unterschwellige Entzündungen zu fördert, sollte man spätestens alarmiert sein.
Denn diese Entzündungen aktivieren das angeborene Immunsystem chronisch, was wiederum die Aktivierung und Schlagkraft des erworbenen Immunsystems kompromittieren kann. Doch genau dieses erworbene Immunsystem, zu dem unter anderen eine Reihe von T-Zellen gehören, ist für den langfristigen Schutz vor Infektionen entscheidend. Ein Grund dafür sind die sogenannten Gedächtniszellen, die bei erneuter Infektion dafür sorgen, dass schnell wieder die passenden Antikörper gebildet werden können.
Erste Keto-Interventionsstudie zum Thema Immunsystem
Da es aus Tierversuchen bereits Hinweise gab, dass sich Ketone (Ketonkörper, v. a. Beta-Hydroxy-Butyrat, BHB) günstig auf die Funktionen des erworbenen Immunsystems auswirken können, da aber noch keine Humandaten dazu vorlagen, ging das Münchner Forscherteam daran, die erste Interventionsstudie zu diesem Thema aufzulegen.
Dazu instruierten sie 44 Gesunde (i. D. 36 Jahre alt, 19 Männer), sich 3 Wochen lang ketogen zu ernähren, und zwar ad libitum und mit maximal 30 g Kohlenhydraten täglich. Vor und nach der Intervention wurde Blut entnommen, um den Verlauf der Ketose und eventuelle Veränderungen bei den T-Zellen der Probanden messen zu können. Ergänzt wurde die Intervention durch Laboruntersuchungen (in vitro) mit humanen T-Zellen, die entweder bei normalen Glukosespiegeln gehalten oder zusätzlich mit BHB (10 mmol/l Racemat, entsprechend 5 mmol/l d-BHB) versorgt wurden.
Ketogene Ernährung fördert die erworbene Abwehr
Die Ergebnisse sowohl der in-vitro-Untersuchungen als auch der nur dreiwöchigen Keto-Phase können sich sehen lassen! So ergaben die Zellkultur-Tests unter dem Einfluss von BHB signifikant verbesserte Immunkapazitäten bei T-Effektor- und regulatorischen T-Zellen. Die Zellatmung stieg an (oxidative Phosphorylierung in der Atmungskette), es wurde mehr ATP gebildet, jedoch ohne die Glykolyse zu beeinträchtigen, die für T-Zell-Funktionen ebenfalls wichtig ist. Es entstanden zudem moderat (!) mehr Sauerstoffradikale (ROS), jedoch nicht so viele, dass die Mitochondrien Schaden genommen hätten, zumal auch mehr Glutathion (Antioxidans) gebildet wurde.
Die Probanden hatten die ketogene Ernährung gut überstanden und die beleibteren unter ihnen hatten ein wenig abgenommen. Im Durchschnitt waren während der ketogenen Phase BHB-Werte von 1,0 bis 1,5 mmol/l erzielt, also eine gute nahrungsinduzierte Ketose, jedoch geringere Mengen als in den Zellkulturen eingesetzt worden waren. Dennoch wiesen die aus dem Blut der Probanden gewonnenen T-Zellen Veränderungen im Transkriptom auf, die für eine „immunmetabolische Reprogrammierung“ sprechen. Das bedeutet, dass diese T-Zellen mit größeren Kapazitäten ausgestattet waren: Sie hatten unter dem Einfluss der ketogenen Ernährung ebenfalls die oxidative Phosphorylierung erhöht, hatten mehr Mitochondrien und mehr ATP gebildet. Auch hier war eine moderate Erhöhung der ROS-Bildung messbar, die den Zellen eine bessere Schlagkraft verleiht. Zugleich blieben die Mitochondrien, die Glykolyse, die Regulierbarkeit des Immunsystems und die angeborene Immunität intakt.
Fazit
Schon 3 Wochen einer ketogenen Ernährung mit täglich max. 30 g Kohlenhydraten führt bei Gesunden zu mehr und funktionstüchtigeren T-Regulations-, T-Effektor-und Gedächtniszellen.
Mein Senf dazu
Sehr ermutigende Ergebnisse wie ich finde. Und natürlich würde ich jetzt auch gerne wissen, ob dies auch für ältere und jüngere Menschen sowie für Vorerkrankte und positiv auf SARS-CoV2 Getestete gilt. Und für COVID-Erkrankte natürlich auch.
Die Uniklinik München führt in Zusammenarbeit mit der Uniklinik Bochum derzeit eine Studie mit ketogener Ernährung bei Sepsis-Patienten durch – und sie sucht weiterhin Freiwillige (s. Ende der Pressemeldung der LMU unten). Wir dürfen also gespannt bleiben.
Mehr über meine Arbeit, meine Bücher sowie Veranstaltungs-Termine auf meiner Webseite ulrikegonder.de
Quellen zum Artikel:
Hirschberger, S et al.: Very-low-carbohydrate diet enhances human T-cell immunity through immunometabolic reprogramming. EMBO Mol Med 2021:13;e14323, frei verfügbar unter https://www.embopress.org/doi/epdf/10.15252/emmm.202114323
Ritter, A et al.: Obesity and COVID-19: molecular mechanisms linking both pandemics. Int J Mol Sci 2020;21: 5793
Napier, BA et al.: Western diet regulates immune status and the response to LPS-driven sepsis independent of diet-associated microbiome. Proc Natl Acad Sci 2019;116: 3688-3694
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