Ketogene Ernährung, ja oder nein?
Dr. med. univ. Vilmos Fux hat im Low Carb – LCHF Magazin 4 / 2017 über die Ketogene Ernährung, ja oder nein geschrieben. Er ist Fachmann auf diesem Gebiet und seine Ausführungen dazu sind interessant.
Ketogene Ernährung, ja oder nein?
Die Low Carb-Ernährung, also eine Ernährung mit weniger Kohlenhydraten, erfährt in den letzten Jahren einen deutlichen Aufschwung und wird in ganz Europa bekannter. Fast immer wird mit dem Begriff Low Carb ein Ernährungstrend assoziiert, der in kurzer Zeit zum erfolgreichen Gewichtsverlust führen soll. Dass eine stark kohlenhydratreduzierte Kost wie die ketogene Ernährung auch therapeutische Möglichkeiten bietet, unabhängig vom Gewichtsverlust, ist leider nur wenigen Menschen bekannt.
Bei der Low Carb-Ernährung wird eine Kohlenhydratzufuhr von unter 150 g angestrebt, bei der ketogenen Ernährung ist das Ziel weit unter 100 g, oft auch unter 50 g Kohlenhydrate am Tag zu kommen. Der Sinn des Ganzen ist, dass der Körper dadurch auf maximale Fettverbrennung umsteigt und seine Energie nicht mehr aus Kohlenhydraten, sondern aus Ketonkörpern gewinnt, welche durch den Abbau von Fettsäuren entstehen. Daraus leitet sich der Begriff „ketogene Ernährung“ ab, der durch den amerikanischen Kardiologen und Ernährungswissenschaftler Robert Atkins bekannt wurde. Unter konventioneller Mischkost bezieht der Körper seine Energie nämlich primär aus den Kohlenhydraten.
Dass die ketogene Ernährung, unabhängig vom Gewichtsverlust, auch weitere positive Auswirkungen auf die Gesundheit haben könnte, ist schon lange bekannt. Heilfasten wurde schon 500 v. Chr. als Pharmakon angewandt. Die ketogene Ernährung versucht, das Heilfasten zu reproduzieren. Der Arzt Hippokrates stellte fest, dass vor allem Epilepsiekranke beim Fasten weniger epileptische Anfälle erlitten. Im Mittelalter wurde beobachtet, dass Priester, die unter Epilepsie litten, in der Fastenzeit ebenfalls weniger Anfälle hatten.
Und bei der Epilepsie und der Anwendung der ketogenen Ernährung bei anderen neurologischen Erkrankungen wollen wir in diesem Artikel auch bleiben. Was bewirkt die ketogene Ernährung im Gehirn, was eine Mischkost nicht leisten kann? Unter normalen Bedingungen bezieht die Nervenzelle ihre benötigte Energie durch die Verbrennung von Kohlenhydraten.
Was lange nicht bekannt war ist, dass die Verstoffwechselung von Ketonkörpern auf zellulärer Ebene viel sauberer abläuft als die von Kohlenhydraten, besonders in der Nervenzelle. Bei der Verbrennung von Ketonkörpern entstehen weniger freie Radikale in der Zelle. Als Konsequenz sinkt das Risiko, dass es zu einer Übererregung der Nervenzelle kommt, ein postulierter Risikofaktor zur Entstehung eines epileptischen Anfalles. Es wird vermutet, dass bei der Epilepsie, solange keine sekundären Ursachen wie Infekte, hohes Fieber, Schlafentzug, Mutationen oder Vergiftungen vorliegen, ein Ungleichgewicht zwischen hemmenden und stimulatorischen Signalen in den Nervenzellen aufzufinden ist. Es gibt erste Studien, die belegen, dass die ketogene Ernährung bei manchen Epilepsieformen genauso effektiv sein kann wie modernste Medikamente.
Heilfasten scheint vor allem bei Kindern mit Epilepsie effektiver zu sein als bei Erwachsenen. Der Mechanismus ist ungeklärt. Da längeres Fasten für Kinder unzumutbar ist, stellt eine gut konzipierte ketogene Ernährung eine gute Möglichkeit dar, eine Ernährungsumstellung dauerhaft als Therapeutikum anzuwenden. Es gibt heute gesunde, leicht zuzubereitende Rezepte, bei denen nicht einmal mehr Kohlenhydrate und Kalorien gezählt werden müssen, die kaum noch eine Einschränkung für die Betroffenen darstellen.
Während Fettsäuren per se die Blut-Hirn-Schranke nicht durchqueren können, stellt das für Ketonkörper absolut kein Problem dar. Nach einer Adaptationsphase kann das Gehirn Ketonkörper extrem gut als Energiequelle nutzen. Bewusst wird hier auf den Begriff „alternative Energiequelle“ verzichtet, da der menschliche Körper, solange er sich nur von Muttermilch ernährt, immer in Ketose bleibt.
Das Wort „alternative Energiequelle“ suggeriert einen minderwertigen, in den Augen mancher Menschen sogar einen pathologischen Stoffwechselzustand. Unabdingbar ist es, die Begriffe Ketose und Ketoazidose nicht zu verwechseln. Die Ketoazidose ist nur beim entgleisten Diabetes anzutreffen. Bei stoffwechselgesunden Menschen ist die Ketose ein physiologischer, sehr feinregulierter Prozess. Der Körper steuert dabei die Produktion von Ketonkörpern sehr genau. Die kleine Menge an Glukose, welche z.B. die Erythrozyten (roten Blutkörperchen) und nur in geringsten Mengen neben Ketonkörpern auch Nervenzellen benötigen, kann der Körper durch die Gluconeogenese zur Verfügung stellen. Das ist ein Stoffwechselweg, der über die Bausteine von Fettsäuren und Eiweißen Glukose bildet.
Daneben ist die ketogene Ernährung die First Line Therapie bei GLUT-1-Transport-Defekten. Hier kann Glukose die Blut-Hirn-Schranke nicht durchqueren. Neuere Studien zeigen Hinweise, dass die ketogene Kost auch bei Parkinson, Alzheimer, Amyotropher Lateralsklerose, Migräne, Schlafstörungen und Multipler Sklerose ihren Nutzen haben kann. Symptome können gelindert und / oder das Voranschreiten der Erkrankung verlangsamt werden. Die Wirkungsweise ist noch nicht sicher. Laut der mitochondrialen Medizin herrscht auf zellulärer Ebene ein Energiedefizit vor, der Stoffwechsel ist hier entgleist. Die Mitochondrien, auch „Kraftwerke“ der Zelle genannt, können nicht effizient Energie aus den Kohlenhydraten gewinnen. Nur eine ketogene Kost scheint, neben weiteren Lebensstilmodifikationen, diesen Prozess umkehren zu können.
Wer mit einer ketogenen Diät beginnen möchte, sollte dies unbedingt mit einem Arzt besprechen, der sich mit dieser Ernährungsform auskennt und eventuelle Kontraindikationen und Diätfehler ausschließen kann. Die Devise Fett sei ungesund ist längst überholt. Im Vordergrund sollen neben viel Gemüse Eiweiß aus hochwertigen artgerecht gefütterten Quellen (Weidefleisch, Fisch, Eier aus Freilandhaltung), gesättigte Fettsäuren (Butter, Ghee), einfach ungesättigte Fettsäuren und mittelkettige Triglyceride, kurz MCT (Kokosöl, MCT-Öl) stehen, daneben mehrfach ungesättigte Fettsäuren im richtigen Verhältnis von 1:1.
Ein besonderes Augenmerk ist den mittelkettigen Triglyceriden zu widmen, welche neben vielen gesundheitlichen Vorteilen, die ketogene Stoffwechsellage begünstigen, da die Leber aus MCT-Fetten sehr schnell und unter weniger Aufwand Ketonkörper gewinnen kann.
Vilmos Fux
Bildrechte: Dr. med. univ. Vilmos Fux
Begleitend zum Thema empfhelen wir Ihnen die Buchrezension „Keto Info – Glutenfrei. Sojafrei. Simple!“ zum Buch „Keto Info – Glutenfrei. Sojafrei. Simple!“ von Daniela Pfeifer und Dr. med. univ. Vilmos Fux.
Dieses Rezension erschien zuerst im LCHF Magazin 01/2017. Hier geht es zur Leseprobe des Bücherbummels.
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Titelbild: shutterstock_128156359