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Fasten und Hunger von Jason Fung

Fasten - warum

Der Artikel „Fasten und Hunger“  ist eine Übersetzung des Artikels „Fasting and hunger“ von Dr. Jason Fung, M.D. auf der Website Diet Doctor, erschienen am 19. Januar 2017 in Intermittent fasting fasting and hunger .

 

Fasten und Hunger

Treibt Fasten Ihren Hunger ins Unvorstellbare und in unkontrollierbare Dimensionen? So wird Fasten oft dargestellt, aber stimmt das wirklich? Aus rein praktischer Erfahrung ist das falsch.

 

Aus meiner persönlichen Erfahrung mit Hunderten von Patienten ist eine der häufigsten, ja überraschendsten Beobachtungen eine Verminderung des Hungergefühls, kein Anstieg. Ich höre oft: „Ich dachte, ich würde vom Hunger verzehrt werden, aber jetzt esse ich nur noch ein Drittel von dem, was ich früher gegessen habe, weil ich satt bin!“ Das ist großartig, denn jetzt arbeiten Sie mit dem Hungersignal Ihres Körpers, um Gewicht zu verlieren, anstatt es ständig zu bekämpfen.

 

Die verbreitetste Fehleinschätzung des Fastens ist, dass uns der Hunger überwältigt und uns so anfällig für starkes Überfressen macht. So hört man Aussagen von „Experten“ wie „Denk nicht mal an Fasten, sonst wirst du so hungrig sein, dass du dich mit Donuts vollstopfen wirst“. Diese „Experten“ haben oft keine Erfahrung vom Fasten, weder persönlich noch mit Klienten. Das ist wie Vögeln erzählen wollen wie man fliegt. Was passiert also tatsächlich mit dem Hunger?

 

Etwa 4-8 Stunden nachdem wir eine Mahlzeit zu uns genommen haben, bekommen wir Hunger und können leicht launisch werden. Manchmal ziemlich heftig. Daher denken wir, ganze 24 Stunden zu fasten müsste 5 mal stärkere Hungergefühle hervorrufen. Aber genau das passiert NICHT.

 

Hunger – eine konditionierte Reaktion

Hunger ist in der Tat ein höchst beeinflussbarer Zustand. Das heißt, wir können absolut nicht hungrig sein, aber nachdem wir ein Steak riechen und das Zischen hören, bekommen wir richtig Heißhunger. Hunger ist auch ein gelerntes Phänomen, wie die klassischen Experimente von Pavlovs Hunden zeigen – in der Psychologie als Pawlowsche oder klassische Konditionierung bekannt.

 

In den 1890er Jahren studierte Ivan Pavlov den Speichelfluss bei Hunden. Hunde bekommen Speichelfluss (speicheln, sabbern), wenn sie Nahrung sehen und erwarten zu fressen (nicht konditionierter Reiz – UCS) – das heißt, diese Reaktion geschieht natürlich und ohne es ihnen anzulernen. In seinen Experimenten fütterten Laborassistenten die Hunde und schnell begannen die Hunde die Laborkittel mit Futter zu assoziieren (konditionierter Reiz – CS)

 

An einem Mann in einem Laborkittel ist nichts besonders appetitanregend (lecker!), aber die ständige Verbindung zwischen dem Laborkittel und dem Futter verknüpfte diese beiden im Gedächtnis des Hundes. Schnell begannen die Hunde allein beim Anblick der Laborkittel zu sabbern (nachdem sie nun konditioniert worden waren), selbst wenn sie kein Futter bekamen.

 

Ivan Pavlov, genial wie er war, bemerkte diese Assoziation und fing an, stattdessen mit Glocken zu arbeiten, und bevor er sich versah, packte er seine Taschen und fuhr nach Stockholm, um seinen Nobelpreis entgegenzunehmen und einige dieser ach so köstlichen schwedischen Fleischbällchen (köttbullar) zu probieren. Die Band ABBA war leider noch nicht gegründet. Durch die Kombination von Glöckchen und Futter begannen die Hunde Futter zu erwarten (Speichelfluss), wenn sie nur die Glocken hörten. Dies war die konditionierte Reaktion.

 

Die Anwendbarkeit dieser Psychologie-Lektion auf Hunger ist offensichtlich. Das heißt, wir können aus vielen Gründen hungrig werden – einige von ihnen sind natürlich (Geruch und Zischen von Steak) und andere, die in uns konditioniert wurden. Diese konditionierten Reaktionen können sehr kraftvoll sein und großen Hunger verursachen. Wenn wir immer jeden Morgen um 7:00 Uhr Frühstücken, um 12:00 Uhr Mittagessen und um 18:00 Uhr Abendessen, dann wird die Tageszeit selbst zu einem konditionierten Stimulus für das Essen. Selbst wenn wir am Abend zuvor eine riesige Mahlzeit gegessen haben und daher am nächsten Morgen keinen Hunger haben, können wir „hungrig“ werden, weil es 7.00 Uhr ist. Der konditionierte Stimulus (Zeit von 7:00) verursacht die konditionierte Antwort (Hunger).

Wir sind konditioniert, ständig über Essen nachzudenken

Wenn wir einen Film mit köstlichem Popcorn und zuckerhaltigen Getränken kombinieren, kann uns der bloße Gedanke an den Film hungrig machen, obwohl wir bereits zu Abend gegessen haben und satt sind. Der Film ist der konditionierte Reiz. Lebensmittelunternehmen geben Milliarden von Dollar aus, um die Anzahl der konditionierten Reize zu erhöhen, die uns hungrig machen. Die konditionierte Antwort ist Hunger – nach Popcorn, Chips, Hot Dogs, Limonaden usw. Essen beim Ballspiel! Essen beim Film ! Essen vor dem Fernseher! Essen in der Halbzeit, wenn die  Kinder Fußball spielen! Essen beim Hören eines Vortrags! Essen bei Konzerten! Sie können mit einer Ziege essen. Sie können auf einem Boot essen. Sie können in einem Haus essen. Sie können mit der Maus essen. Konditionierte Reaktionen, jede einzelne 😉

 

Wie bekämpft man das? Nun, intermittierendes Fasten bietet eine einzigartige Lösung. Indem wir die Mahlzeiten nach dem Zufallsprinzip auslassen und die Intervalle, wann wir essen, variieren, können wir unsere derzeitige Gewohnheit, 3 Mal am Tag zu essen durchbrechen. Wir haben nun nicht alle 3-Stunden einen konditionierten Hunger-Reiz. Wir werden nicht mehr hungrig, weil 12 Uhr ist. Stattdessen werden wir nur noch die bedingungslose Reaktion des Hungers bekommen, aber nicht mehr die bedingte. Das heißt, „du wirst hungrig, weil du hungrig bist“, anstatt „du wirst hungrig, weil es Mittag ist“.

 

Ebenso können wir, wenn wir nicht den ganzen Tag essen, jegliche Assoziationen zwischen Essen und allem anderen – Fernsehen, Filme, Autofahrten, Ballspiel usw. – aufbrechen.

 

Hier ist die Lösung: Essen Sie nur zu den Mahlzeiten und am Tisch. Kein Essen vor dem Computer. Kein Essen im Auto. Kein Essen auf der Couch. Kein Essen im Bett. Kein Essen im Hörsaal. Kein Essen beim Ballspiel. Kein Essen auf der Toilette. (OK, das letzte ist eklig, aber ich habe es gesehen!).

 

Unser derzeitiges westliches Umfeld ist natürlich bestrebt, das wir das Gegenteil zu tun. Es gibt ein Café oder Fast-Food-Restaurant an jeder Ecke. In jedem Gebäude Nordamerikas gibt es Verkaufsautomaten, in jeder Ecke und jedem Winkel, sogar im „Canadian Obesity Network“ wird jede Pausenzeit von verfettenden Muffins und Keksen begleitet. Ironisch und lustig, wenn nicht so herzzerbrechend. (Ja, wir sind Ärzte, die Fettleibigkeit behandeln. Und trotzdem: Oh schau, Muffins! Ich esse sie nur im Hörsaal, obwohl ich nicht wirklich hungrig bin!)

Eine Gewohnheit brechen

Ein Hauptvorteil des Fastens ist die Fähigkeit, alle diese konditionierten Reaktionen zu durchbrechen. Wenn Sie nicht daran gewöhnt sind, alle 4 Stunden zu essen, dann werden Sie alle 4 Stunden wie Pavlovs Hund sabbern. Wenn wir auf diese Weise konditioniert sind, ist es kein Wunder, dass es für uns immer schwieriger wird, allen McDonalds und Tim Hortons Geschäften zu widerstehen, wenn wir an ihnen vorbeilaufen. Wir werden täglich mit Bildern von Essen, Verweisen auf Essen und Lebensmittelgeschäften bombardiert. Die Kombination von Bequemlichkeit und unserer eingefleischten Pawlowschen Reaktion ist tödlich und mästend.

 

Um Gewohnheiten zu brechen sollte man verstehen, dass es selten erfolgreich ist, einen kalten Entzug zu machen. Stattdessen ist es weit besser, eine Gewohnheit mit einer anderen, weniger schädlichen zu ersetzen. Angenommen, Sie haben die Angewohnheit, vor dem Fernseher Chips, Popcorn oder Nüsse zu knabbern. Es einfach aufzugeben wird ein Gefühl erzeugen, dass etwas „fehlt“. Ersetzen Sie stattdessen diese Gewohnheit des Naschens durch die Angewohnheit, eine Tasse Kräuter- oder Grüntee zu trinken. Ja, Sie werden das zuerst seltsam finden, aber Sie werden viel weniger das Gefühl haben, dass etwas fehlt. Also, während des Fastens können Sie, anstatt das Mittagessen komplett zu überspringen, eine große Tasse Kaffee trinken. Genauso beim Frühstück. Oder vielleicht ersetzen Sie das Abendessen mit einer Schüssel hausgemachter Knochenbrühe. Es wird auf lange Sicht einfacher sein. Aus dem gleichen Grund fangen Leute an Kaugummi zu kauen, wenn sie aufhören zu rauchen.

 

Gesellschaftlicher Einfluss kann auch eine große Rolle beim Essen spielen. Wenn wir uns mit Freunden treffen, ist es oft zu einem Essen, zum Kaffee oder zu einem ähnlichen Event.  Das ist weltweit normal, natürlich und Teil der menschlichen Kultur. Der Versuch, dagegen anzukämpfen, ist eindeutig keine erfolgreiche Strategie. Soziale Situationen zu vermeiden ist auch nicht gesund.

 

Also was tun? Ganz einfach. Versuchen Sie nicht, dagegen anzukämpfen. Passen Sie  das Fasten Ihrem Zeitplan an. Wenn Sie wissen, dass ein großes Dinner ansteht, lassen Sie  Frühstück und Mittagessen aus. Eine der einfachsten Möglichkeiten, um Fasten in Ihr Leben zu integrieren, ist das Frühstück auszulassen, da man dies meist alleine zu sich nimmt. Während der Arbeitstage kann man es leicht überspringen ist, ohne dass irgendjemand es bemerkt. Dadurch kann man ganz einfach 16 Stunden lang fasten (16: 8 Fasten). Außerdem kann man, wenn mann nicht jeden Tag mit den gleichen Leuten zu Mittag isst, das Mittagessen auch sehr leicht auslassen, ohne dass es jemand während des Arbeitstages bemerkt. So kommt man ohne besonderen Aufwand schnell zum 24 Stunden Fasten.

 

Also, im Wesentlichen gibt es zwei Hauptkomponenten von Hunger. Die unkonditionierten biologischen Reize – das ist der Teil, der normalerweise den Hunger auf natürliche Weise stimuliert (Geruch, Anblick und Geschmack der Nahrung) und die konditionierten Reize (gelernt – Film, Vortrag, Ballspiel). Diese konditionierten Reize stimulieren den Hunger nicht natürlich, sind aber durch beständige Assoziation fast ebenso stark geworden. Das sind der Film, der Fernseher, der Anblick von McDonalds, der Klang eines Jingles usw. Sie wurden hoffnungslos miteinander verknüpft, aber sie sind keineswegs irreversibel. Ändern Sie einfach die Reaktion (trinken Sie grünen Tee statt Popcorn essen). Fasten hilft, alle konditionierten Reize zu brechen und hilft so, den Hunger zu reduzieren, nicht zu steigern. Hunger entsteht nicht einfach nur durch „leeren“ Magen.

 

Also – hier ist die eigentliche Frage – führt Fasten zum Überessen? Dies wurde in einer 2002 veröffentlichten Studie (1) beantwortet. 24 gesunde Probanden unterzogen sich einem 36-stündigen Fasten und anschließend wurde die Kalorienaufnahme gemessen. Zu Studienbeginn aßen die Probanden 2.436 Kalorien pro Tag. Nach einem 36-stündigen Fasten stieg die Kalorienzufuhr auf 2914 Kalorien. Es gab also ein gewisses Maß an Überessen – fast 20%. Während des 2 Tages Zeitraumes gab es jedoch noch immer ein Nettodefizit von 1.958 Kalorien über die 2 Tage. Die Menge, die gegessen wurde, hat das Defizit des Fastens nicht annähernd ausgeglichen. Sie schließen daraus, dass „ein 36-stündiges Fasten … keinen starken, unbedingten Stimulus hervorrief, um am folgenden Tag das Kaloriendefizit zu kompensieren.“

 

Hier ist das kurzgefasste Fazit: NEIN, Fasten führt nicht zum Überessen. Nein, Sie werden NICHT von Hunger überwältigt sein. JA, Sie können Fasten. Es ist in Ordnung!


Jason Fung

Vielen Dank für die Übersetzung, liebe Claudia Heine.

 

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Lesen Sie auch diesen Artikel zum Thema Fasten: Intermittierendes Fasten für Anfänger

Fasten – Das große Handbuch

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(1) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/12461679

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1 COMMENT
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    Krümelkekskoch 11. Februar 2019

    Ja, das ist schon ein Fiesling, der Kleine Hunger. Aber selbst der gemeinste Fiesling lässt sich mit ein bisschen gutem Willen ganz leicht austricksen. Wir Menschen sind ja Meister im Aufschieben von unangenehmen Sachen. Warum probieren wir das nicht auch mal bei angenehmen? Wenn wir im Supermarkt am Backwarenstand vorbeigehen und uns die Abluft vom Backofen rein zufällig genau ins Gesicht bläst, dann können wir fremdgesteuert uns das erste beste Schokocroissant greifen. Wir können uns aber auch sagen: Nein, jetzt nicht! Jetzt mache ich meinen Einkauf fertig, und danach gehe ich nochmal hier vorbei und suche mir in aller Ruhe was aus. Und o Wunder: nachher stehen wir ohne Croissant an der Kasse, weil wir gar keine Lust mehr haben, nochmal zum Backwarenstand zu gehen. Wir haben dem ersten Impuls, ausgelöst durch den Kuchenduft, widerstanden, und einen zweiten Impuls gibt es nicht.

    Nun ist es aber nicht ausgeschlossen, dass zwischendurch trotzdem mal der Magen anfängt, Rabatz zu machen. Besonders wenn man gerade auf dem Fahrrad oder vor dem Computer (mit dem Chef im Rücken) sitzt, ist das absolut lecker. Dann allerdings sollte man sich darüber im Klaren sein, dass das nur der Magen ist, der sich darüber vermault, dass er nichts zu tun hat (wer kleine Kinder hat, kennt das sicherlich). Nun, da gibt es ein verblüffend einfaches und wirksames Mittel: einen Viertelliter Wasser trinken. Den Magen interessiert das nämlich überhaupt nicht, was da reinkommt, der will wirklich bloß was zu tun haben. Und der Rest des Körpers bedient sich aus den Fettzellen, den interessiert das schon gar nicht. Das Hanuta existiert nur im Kopf, und das kann man – siehe oben – auf nachher verschieben.

    So kommt man elegant selbst um die schlimmsten Fallen herum. Und irgendwann hat man das so verinnerlicht, dass einem selbst der erste Impuls nichts mehr anhaben kann.

    Schöne Woche wünscht euch
    der Krümelkekskoch

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