Die ketogene Ernährung – mein Weg
Mein Weg zur Gesundheit geht durch die Küche!
… und immer weniger in die Apotheke
von Wibke May
Mein Weg zu LCHF war kurvenreich, steinig und vor allem durch viele Umwege und Sackgassen geprägt. Es benötigte einige Stupser und etliche Male erneutes Aufstehen bis hin zu dem sprichwörtlichen Wink mit dem Zaunpfahl, bis ich nun endlich das Gefühl habe, ich weiß annähernd, was mein Körper braucht. Und gleichzeitig ist der Weg bereits fast so lang wie ich denken kann.
Seit mein Körper vor etlichen Jahren zu pubertieren begann, hatte ich Gewichtsprobleme. Ich war halt das pummelige, unsportliche Mädchen. Leicht änderte sich das, als ich mit dem Volleyballspielen anfing, war ich nicht mehr völlig unsportlich. Die Gewichtsprobleme blieben, hielten sich jedoch durch den Sport in einem halbwegs akzeptablen Rahmen. So gab es den einen oder anderen Jo-Jo-Effekt, der eindeutig mit den Zeiten von viel und zu wenig Bewegung zusammenhing.
Mit dem Abschluss meines Studiums und der direkten Notwendigkeit, endgültig für den eigenen Lebensunterhalt zu sorgen, ergatterte ich ziemlich schnell einen Job, mit dem das ging. Der Nachteil: es war der erstbeste Job. Ich erledigte ihn gut, er machte mir z.T. auch Spaß, ABER: im Grunde war es nicht mein Job. (Diese Erkenntnis kam jedoch erst viel später mit einem massiven Zaunpfahl).
So kompensierte ich oft und meist unbewusst Frustrationen und Unzufriedenheiten durch gutes Essen (von Hausmannskost über die allseits beliebten und glücklich machenden Nudelgerichte und vieles mehr, Süßigkeiten und Knabbereien nicht zu vergessen) und das Feierabend-Bier, was den Appetit erneut anregte.
Die sportlichen Aktivitäten fanden nur noch sporadisch statt und die Waage zeigte peu à peu immer ein wenig mehr. Ein schleichender Prozess.
Okay, ich war mit mir und meinem Gewicht nicht zufrieden, aber ich machte mir vor, ich würde das Ganze mit ein wenig mehr Selbstdisziplin und Sport wieder ganz einfach in den Griff bekommen. Das ich mir auf ganzer Linie nicht guttat – sowohl meinem Körper als auch meiner Seele – kam mir nicht in den Sinn.
So gingen die Jahre ins Land, mein Umfang wuchs langsam aber stetig, aber ich dachte, alles sei gut.
Der erste Wink mit dem Zaunpfahl: Stress im Job, eine gefühlte Mobbingsituation, nicht erreichbare Ziele, die generelle Unzufriedenheit oder was auch immer der Auslöser war, auf jeden Fall war ich von jetzt auf gleich krank. „Burn out“. Mein Gewicht stieg weiter und ich versuchte mich zu berappeln. Der Versuch einer Ernährungsberatung nach DGE (Deutscher Gesellschaft für Ernährung) mit bravem Kaloriensparen und viel Bewegung in der Reha!
Die Bewegung brachte etwas, das Gewicht sank leicht, um mit nachlassender Bewegung sofort wieder anzusteigen! Aber anscheinend funktionierte es ja alles weiter wie vorher: Ich bräuchte nur ein wenig Bewegung und dann würde ich alles in den Griff bekommen. Mehr regelmäßiger Sport, weniger Arbeiten und alles wäre okay – dachte ich bei mir.
Somit plante ich meine Wiedereingliederung und stand in den Startlöchern! Und bereits hier war im Grunde absehbar, dass diese Strategie nicht wirklich aufging. Leider wollte ich es nicht wahrnehmen!
Aber es funktionierte wie in dem Sprichwort:
Sagt die Seele zum Körper: „Geh du mal vor, auf mich hört sie ja nicht!“
Somit machte mein Körper andere Pläne und da ich anscheinend nicht lernfähig war, wurde der Zaunpfahl dicker!
Der Wendepunkt
Seit Jahren beobachtete meine Augenärztin einen Fleck auf meiner Aderhaut im Augenhintergrund – so etwas wie ein Pigmentfleck auf der Haut. Okay, dachte ich bei mir, regelmäßige Kontrolle ist dann zwar notwendig, aber ich habe so viele gutartige Pigmentflecken, da passiert schon nichts, war ich überzeugt.
Dann ging es schnell: Meine Augenärztin schickte mich zur Mitbegutachtung in die Uni-Klinik, die machten eine Biopsie, zwei Wochen später der Anruf: „Aderhautmelanom“ – bösartig, das muss bestrahlt werden. Eine Operation gibt es nicht bzw. wenn, müsste das Auge raus. KREBS!!! – Im Auge ???
Die schulmedizinische Behandlungsmaschinerie lief an und ich funktionierte im System. Ein Genmarker definierte, dass „nicht auszuschließen“ sei, dass ich zur Gruppe der „Hochrisikopatienten“ gehöre.
Parallel zur Behandlung fing ich an mich schlau zu machen, was die Diagnose für mich bedeuten könnte. Die üblichen Quellen (v.a. im Internet) führen – wie immer in solchen Fällen – nicht unbedingt dazu, dass man beruhigt und zuversichtlich seine Behandlung durchsteht.
Bei mir machte sich Panik breit und meine Depression verstärkte sich erneut. Laut dem, was ich erfuhr und was mir noch bestätigt wurde, bestand bei mir eine Prognose, die alles zwischen 6 Monaten und 66 Jahren bedeuten konnte, wobei ich ja als Hochrisikopatientin eher im geringeren Bereich sei (80% der Hochrisikopatienten bilden in den ersten 5 Jahren Metastasen). Dies flankiert von der durchaus begründeten Aussage meines Strahlentherapeuten: „Lassen Sie diese ganze Nachsorge ruhig weg! Das macht Sie nur verrückt! Wenn Metastasen entdeckt werden, können wir sowieso nichts für Sie tun. Sie haben dann noch 6-12 Monate und dann war’s das!“
Das Auge wurde somit bestrahlt (die operative Behandlung wäre die Entfernung des Auges gewesen) und ich recherchierte parallel, was ich zur Unterstützung meiner Genesung tun konnte.
Zunächst empfahl mir ein Heilpraktiker die Öl-Eiweiß-Kost nach Dr. Johanna Budwig. In der akuten Phase konnte ich dies nicht umsetzen, sondern ich lebte zunächst vegetarisch. Aber ich las mich immer mehr ein.
Das Ganze klang eigentlich ja ganz plausibel! Aber Leinöl in den Quark rühren? Ich war skeptisch. Ob das schmeckt? Dennoch (ca. 5-6 Monate nach der Behandlung) probierte ich es irgendwann aus und siehe da, es schmeckte richtig lecker und ich hatte das Gefühl, es tut mir gut. Die Budwig-Creme gehört inzwischen zu einer meiner Hauptfrühstücksvarianten!
Da ich psychisch immer noch kein Bein auf den Boden bekam, beantragte ich noch eine onkologische Reha. Hier landete ich in einer Klinik, wo die Ernährung im Grunde nach DGE stattfand, ich konnte aber mein Leinöl dort kühl lagern und meine Budwig-Creme weiterhin frühstücken.
Als ich dies der Stationsärztin sagte, drückte sie mir ein Buch in die Hand mit den Worten: „Wenn sie für so etwas offen sind, interessiert sie dies vielleicht auch! Schauen sie mal, vielleicht kriegen Sie das ja auch mit der Küche organisiert!“
Es war das Buch „Die neue Anti-Krebs-Diät“ von Dr. Johannes Coy. Hier las ich zum ersten Mal von den Vorteilen einer ketogenen Ernährung bei Krebs, den Ernährungsweisen von Zellen und allem, was dazugehört. Dies überzeugte mich und ich fing umgehend an, die Kohlenhydrate zu reduzieren. Alle schauten ein wenig merkwürdig, aber es war kein Problem in der Klinik, anstelle der Sättigungsbeilagen eine doppelte Portion Gemüse zu bekommen und am Abend gab es immer auch viel Salat etc..
Zusätzlich nahm ich ohne Probleme ca. 6-8 kg ab, und das in der Weihnachtszeit!
Erneut zu Haus angekommen fing ich an mich einzufuchsen, suchte im Internet nach Gruppen und wurde irgendwann auf das Buch von Prof. Dr. Kämmerer „Krebszellen lieben Zucker – Patienten brauchen Fett“ aufmerksam, was diese Ernährungsumstellung für mich plausibler machte und zusätzlich vereinfachte, da die Kh-Menge im Vergleich zu Dr. Coy (1g pro kg Körpergewicht) nochmals reduzierter war (max. 30g Kh pro Tag). Es fiel mir immer leichter, die Kohlenhydrate zu meiden und je weniger ich davon aß, desto weniger Heißhunger bekam ich. Selbst die so heiß geliebten Pasta konnte und kann ich stehen lassen. Ich las mich weiter ein, recherchierte im Internet und je mehr ich recherchierte, desto mehr Gleichgesinnte fand ich. Endlich mal Leute in diesen ketogenen Gruppen, die auch keinen Kohlenhydrattag machten, weil sie Krebs hatten und die die gleichen Probleme hatten und sich mit ähnlichen Dingen auseinandersetzten. Nach einigem Hin und Her gründete sich dann die Facebook-Gruppe „Keto bei Krebs“, wo gerade dieser Gesundheitsaspekt immer wieder thematisiert und – wie ich finde – sehr kompetent Wissen zum Thema ketogene Ernährung bei Krebs zusammengetragen wird. Durch diese Gruppe bin ich auch zum Thema LCHF gekommen und stellte fest: Beides ist super kombinierbar und ich bin langanhaltend satt!
Meine Hausärztin ist keine „Keto-Befürworterin“, aber sie unterstützt mich, frei nach dem Motto „Tun Sie, was Ihnen und Ihrer Gesundheit guttut!“ Sie checkt regelmäßig meine Blutwerte und meine Leber ist bislang sauber (d.h. kein Anzeichen einer Metastasierung zu erkennen)!
Ich bin überzeugt, dass die ketogene Ernährung in der Kombination mit guten Fetten und Ölen ihren Teil dazu beiträgt, dass ich das „Worst-Case-Szenario“ bereits 4x überlebt habe und zusätzlich meine Psyche wieder stabil geworden ist. Ich habe viel bessere Laune, nehme weiterhin ab bzw. halte mein Gewicht und bin viel zufriedener! Ich bewege mich gerne, laufe und jogge regelmäßig, fahre wieder mehr Fahrrad und genieße alle Sonnenauf- und -untergänge, die mir begegnen!
Und nicht zu vergessen habe ich bereits nachhaltig ca. 15 kg abgenommen!
Mit anderen Worten: Seit ich mich ketogen ernähre, bin ich dabei, gesund zu werden und das fühlt sich gut an!
Und mein Umfeld?
Meine direkte Familie trägt meine Ernährungsumstellung völlig mit! Manchmal rutsche ich raus, weil meine alten Muster zuschlagen, und meine Psyche meint, dass so eine Packung Spekulatius nicht einfach stehen bleiben darf. Oder ich bin verunsichert und mache mir vor, „Dann ist es ja nun auch egal…“ und ehe ich wieder gerade denken kann, bin ich beim Bäcker…, wobei der Kuchen meistens viel zu süß schmeckt!
Ich bin leider nicht ganz so diszipliniert wie manch ein anderer… aber ich arbeite weiterhin dran! Hilfreich ist auch, dass ich merke, es geht mir einfach besser ohne Kohlenhydrate und dies wird mir auch zurückgespiegelt. Zum einen von meinem Körper: Mit zu vielen Kohlenhydraten schlägt die Waage aus, ich bekomme Pickel, Blähungen etc. und ganz wichtig, die Psyche fängt an zu zicken. Wenn die Lebensgefährtin sagt: „Nun hör endlich wieder mit den Kohlenhydraten auf, du bist ja total schlecht drauf!“ dann hat das schon Hand und Fuß.
Zum anderen sagen mir Menschen, die mich lange nicht gesehen haben, ich sähe besser aus als je zuvor und das bestätigt mich zusätzlich!
Bei Feiern, zu denen wir einladen, sind immer alle überrascht, wie lecker das Essen ist. Zu meinem 40. Geburtstag habe ich mir ein kohlenhydratarmes Mitbringbuffet gewünscht und es ist ein super leckeres Essen zusammengekommen, bei dem keiner meiner Gäste hungern musste und alle begeistert waren!
Bin ich zu Feiern eingeladen, gehe ich einfach nicht mit leeren Händen hin, sondern nehme irgendetwas fürs Buffet mit, was ich essen kann!
Blöd sind immer die Diskussionen mit Menschen, die einem dann aufdrücken wollen „Ach so ein Stück Kuchen macht doch nichts..!“ oder „Heute kannst Du mal fünfe gerade sein lassen, es ist doch eine Feier!“ bis hin zu „Das ist ja ein gastgeberfeindliches Ernährungsverhalten!“ Da hilft es nur deutlich „Nein!“ sagen und die eigene Entscheidung konsequent durchsetzen zu können und zu wollen. Diese Leute müssen ja nicht mit den eventuellen negativen Konsequenzen meiner Entscheidung leben und die sind nun mal im Zweifel nicht so ganz positiv!
Und wie geht’s weiter?
Seit fast 1,5 Jahren bin ich – nach fast 3-jähriger Krankheit – wieder am Arbeiten! In Teilzeit, denn ich will ja noch leben! Ich verfolge mit großem Interesse alle Infos über die ketogene Ernährung und LCHF. Aktuell beschäftige ich mich mit dem „Wahls-Protocol“ (Paleo-Ernährung bei MS, aber auch anderen chronischen Erkrankungen).
Ich absolviere Termine und Vorhaben, die mir alleine beim Gedanken daran vor 2 Jahren schon einen depressiven Schub verpasst hätten! Aktuell habe ich Spaß daran. Ich arbeite an meinem Ziel, als Clownin zunächst ein Kindertheaterstück zu entwickeln (und möglichst irgendwann auch ein Erwachsenenstück). Die Premiere ist im Juni und bis dahin ist noch Einiges zu tun:
Ich habe vor, mit meinem Vater möglichst den Watzmann zu überqueren und werde dann einen kleinen Erfahrungsbericht zum Thema „ketogene Ernährung auf einer mehrtägigen Hüttenwanderung in den Alpen“ zusammenstellen.
Dazu will ich möglichst nochmal 10 kg abnehmen und vor allen Dingen gute Kondition aufbauen.
Ansonsten schaue ich mal, was sonst noch so auf mich zukommt!
…. Und ich will selbstverständlich weiterhin lecker ketogen essen und das Leben genießen!
Ich wünsche allen Lesern viel Gesundheit, Zufriedenheit und wunderbare, unvergessliche Augenblicke!
Genießt das Essen und das Leben und esst Euch gesund!
Wibke May
E-Mail:
info@clownin-tilly.de
www.clownin-tilly.de
Dieser Artikel erschien im Low Carb – LCHF Magazin 1/2015.
Margret Ache/www.LCHF-Deutschland.de