Zählen Kalorien bzw. soll ich Kalorien zählen?
Zählen Kalorien bzw. soll ich Kalorien zählen?
Soll ich Kalorien zählen? Diese Frage wird uns oft gestellt. Daher möchten wir heute noch einmal auf diese Thematik eingehen.
Was sind Kalorien?

Zählen Kalorien bzw. soll ich Kalorien zählen
Eine Kalorie ist eine Energieeinheit, die dein Körper für Hunderte von Aufgaben benötigt. Dazu gehören Sporteinheiten wie Gehen, Laufen, Tanzen usw. Jedoch auch unwillkürliche Bewegungen, die automatisch im Körper stattfinden, wie Atmung, Blutkreislauf und Aufrechterhaltung der normalen Körpertemperatur. Unser Körper muss eine bestimmte Anzahl von Kalorien verbrennen, um diese unwillkürlichen Prozesse in Gang zu halten. Dies wird als Grundumsatz bezeichnet. Dein Grundumsatz wird von vielen Faktoren beeinflusst, z.B. Alter, Geschlecht, Körperzusammensetzung und Genetik [1].
Je nachdem, wie anstrengend deine körperliche Aktivität ist, benötigst du mehr Kalorien. Das bedeutet: Je aktiver du bist, desto mehr Kalorien benötigst du. Wichtig zu wissen: Der Kalorienbedarf sinkt mit dem Alter. Ein Säugling verbrennt Kalorien doppelt so schnell wie ein 90-Jähriger [2].
Kalorien zählen: Wie viele Kalorien liefern Kohlenhydrate, Eiweiß und Fett?
Jeder Makronährstoff liefert eine bestimmte Anzahl von Kalorien [3]:
Kohlenhydrate = 4,1 Kilokalorien pro Gramm
Protein (Eiweiß) = 4,1 Kilokalorien pro Gramm
Fett: 9,3 Kilokalorien pro Gramm
Kohlenhydrate und Fette sind Energielieferanten, während Eiweiß hauptsächlich für die Zellreparatur und den Muskelerhalt verwendet wird [4]. Proteine hingegen sind eher Baustoffe für den gesamten Körper, sie liefern Aminosäuren, die für die körpereigene Proteinbiosynthese verwendet werden. Überschüssige Aminosäuren werden unter Energiefreisetzung zu Glukose abgebaut.
Obwohl es Lebensmittel gibt, die nur einen einzigen Makronährstoff enthalten, stammen die Kalorien in den meisten Lebensmitteln aus einer Kombination von Kohlenhydraten, Eiweiß und Fett.
Zählen Kalorien? Hier die ganze Geschichte
Wenn du mehr Kalorien zu dir nimmst, als dein Körper benötigt, werden die zusätzlichen Kalorien als Fett gespeichert. Wenn du weniger Kalorien zu dir nimmst als nötig, gibt dein Körper seine Fettspeicher frei, und du verlierst Gewicht. Das klingt einfach und logisch und begründet die Aussage: Iss weniger und beweg dich mehr, dann nimmst du auch ab. Das beinhaltet den Glauben, dass Kalorien das Einzige sind, was zählt [5].
Doch leider ist die Gleichung viel komplizierter. Bei der Gewichtsregulierung geht es um weit mehr als nur um die Überwachung der Kalorienzufuhr und der Kalorienabfuhr [6]. In der Tat scheinen die Menschen ihr Gewicht Jahrtausende effektiv reguliert zu haben, bevor vor etwa 50 Jahren das Problem mit vielen Übergewichtigen entstand. Seitdem hat sich eine regelrechte Adipositas-Pandemie entwickelt. Und parallel dazu entwickelte sich das das Zählen von Kalorien [7].
Doch was ist wirklich los? Wie sich herausstellt, ist die hormonelle Regulierung ein Schlüsselfaktor, der unser Hungergefühl und Verlangen beeinflussen kann. Hormone spielen eine große Rolle bei der Beeinflussung von Appetit, Sättigung und Fettspeicherung. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass kohlenhydratarme und LCHF – bzw. ketogene Mahlzeiten Sättigungshormone fördern und Hungerhormone unterdrücken können, was zu einer natürlichen Verringerung der Kalorienaufnahme führt, insbesondere bei Übergewichtigen und Menschen mit Insulinresistenz [8].
Eine Kalorie ist nur eine Kalorie ist zu vereinfacht
Eine Studie zeigt, warum die Theorie „eine Kalorie ist nur eine Kalorie“ zu vereinfacht ist. In dieser Studie verzehrten übergewichtige Menschen zum Frühstück entweder Eier oder einen Bagel. Obwohl beide Mahlzeiten die gleiche Anzahl an Kalorien enthielten, blieb die Gruppe, die das Eierfrühstück verzehrte, länger satt und nahm mittags weniger Kalorien zu sich als die Gruppe, die das Bagel-Frühstück aß [9]. Alle, die schon LCHF oder Keto essen, können das sicherlich bestätigen.
Fakt ist, die beiden gleichen Kalorienquellen, die beim Frühstück verzehrt wurden, hatten unterschiedliche Auswirkungen auf die Anzahl der beim Mittagessen verzehrten Kalorien. Die Darm- und Gehirnhormone, die den Appetit regulieren, sind nicht die einzigen, die beeinflussen, wie der Körper Kalorien verbraucht und verstoffwechselt. Insulin hat ebenfalls einen großen Anteil bei diesem Geschehen. Denn es steht fest, dass ein höherer Insulinspiegel die Speicherung von Kalorien in Form von Fett fördert, während ein niedrigerer Spiegel es dem Körper ermöglicht, Fettspeicher zu mobilisieren und zur Energiegewinnung zu nutzen.
Klinische Studien haben einige hilfreiche Erkenntnisse darüber erbracht, wie dieses einfache physiologische Konzept im wirklichen Leben funktioniert, das deutlich komplexer ist. Eine Studie untersuchte beispielsweise Menschen, die abgenommen und ihr Gewicht gehalten hatten, im Vergleich zu denen, die abgenommen und wieder zugenommen hatten. Dabei zeigte sich, dass die Personen, die ihr Gewicht halten konnten, eine bessere Insulinempfindlichkeit (d. h. niedrigere Werte) aufwiesen, während die Personen, die wieder zunahmen, eine schlechtere Insulinempfindlichkeit hatten – was für uns nicht überraschend ist. Aber die Personen, die abgenommen und ihr Gewicht gehalten hatten, wiesen auch eine bessere Insulinempfindlichkeit auf als ihre BMI-gleichen Kontrollpersonen ohne Gewichtsverlust in der Vergangenheit [10].
Weniger Kohlenhydrate sind von Vorteil
Die gute Nachricht ist, dass mehrere Interventionsstudien gezeigt haben, dass die Verringerung der Kohlenhydratzufuhr denjenigen, die ein erhebliches Risiko für eine erneute Gewichtszunahme haben, helfen kann, das verlorene Gewicht zu halten [11].
Auch dies deutet darauf hin, dass eine Kalorie nicht immer nur eine Kalorie ist, denn die kohlenhydratarmen Diäten schnitten besser ab als andere Arten von Diäten, wenn es darum ging, eine erneute Gewichtszunahme nach einer Abnahme zu verhindern.
Darüber hinaus schneiden kohlenhydratarme Diäten bei der Gewichtsabnahme regelmäßig besser ab als kalorienarme Diäten, selbst in Studien, bei denen die Kalorien während der kohlenhydratarmen Ernährung nicht absichtlich gezählt oder eingeschränkt werden [12] [13] [14].
Lebensmittel beeinflussen dein Sättigungsgefühl

Brokkoli
Die Nährstoffzufuhr wirkt sich auf dein Hunger- und Sättigungsgefühl aus. Wenn du beispielsweise eine 100-Kalorien-Portion Brokkoli isst, wird dein Hungergefühl viel effektiver reduziert als beim Verzehr einer 100-Kalorien-Portion Süßigkeiten. Das liegt daran, dass Lebensmittel, die reich an Proteinen oder Ballaststoffen sind, sättigender sind als Lebensmittel mit geringeren Mengen dieser Nährstoffe [15] [16].
Die ballaststoff- und eiweißarmen Süßigkeiten verleiten eher dazu, später am Tag zu viel zu essen, wodurch die Wahrscheinlichkeit sinkt, dass die aufgenommenen Kalorien mit den verbrauchten Kalorien übereinstimmen. Ebenso neigt Fruktose dazu, den Spiegel des Hungerhormons Ghrelin stärker zu erhöhen als Glukose. Außerdem stimuliert sie die Sättigungszentren im Gehirn nicht in gleicher Weise wie Glukose, so dass du dich nach dem Verzehr von Fruktose nicht so satt fühlst wie nach dem Verzehr von Glukose [17] [18]. Daher ist es bei den meisten verarbeiteten Lebensmitteln, die reich an Fruktose sind, aber keine Proteine oder Ballaststoffe enthalten, im Allgemeinen viel schwieriger, das Energiegleichgewicht zu halten.
Kalorien zählen und Stoffwechsel: Unterschiedlicher Energieaufwand je nach Lebensmittel
Lebensmittel wirken sich also unterschiedlich auf den Stoffwechsel aus. Einige erfordern beispielsweise mehr Arbeit bei der Verdauung, Aufnahme oder Verstoffwechselung als andere. Das Maß, mit dem diese Arbeit gemessen wird, ist der thermische Effekt der Nahrung (TEF). Je höher der TEF-Wert ist, desto mehr Energie benötigt ein Lebensmittel, um verstoffwechselt zu werden. Eiweiß hat den höchsten TEF-Wert, während Fett den niedrigsten hat. Das bedeutet, dass bei einer proteinreichen Ernährung mehr Kalorien für den Stoffwechsel benötigt werden als bei einer proteinarmen Ernährung [19] [20].
Aus diesem Grund wird dem Verzehr von Eiweiß oft nachgesagt, dass es den Stoffwechsel stärker ankurbelt als der Verzehr von Kohlenhydraten oder Fett. Bei der Gewichtsabnahme scheint der TEF von Lebensmitteln jedoch nur einen geringen Einfluss auf die Kalorienbilanz zu haben [21] [22].
Kalorien zählen oder auf Nährstoffdichte achten?
Die Menge der Nährstoffe, die ein Lebensmittel pro Kalorie enthält, kann sehr unterschiedlich sein. Lebensmittel mit einer hoher Nährstoffdichte enthalten mehr Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente pro Gramm als Lebensmittel mit geringerer Nährstoffdichte. So haben beispielsweise Früchte einen viel höheren Nährstoffgehalt als Donuts. Weitere Beispiele für nährstoffreiche Lebensmittel sind Gemüse, Fleisch, Fisch, Geflügel, Milchprodukte sowie ungesalzene Nüsse und Samen. Also die Lebensmittel, die zur LCHF- und Keto-Ernährung gehören.
Verarbeitete Lebensmittel wie weiße Nudeln, Limonade, Kekse, Chips, Eiscreme und Alkohol gelten dagegen als Lebensmittel mit geringer Nährstoffdichte.
Eine Ernährung, die reich an nährstoffreichen Lebensmitteln ist, wird durchweg mit einem geringeren Risiko für chronische Krankheiten wie Diabetes und Herzkrankheiten in Verbindung gebracht und kann sogar zu einem längeren Leben beitragen [23] [24].
Das Modell „Kalorienzufuhr versus Kalorienabfuhr“ berücksichtigt nicht die Nährstoffdichte, was ein guter Grund ist, seine Relevanz für die Gesundheit anzuzweifeln.
Zählen Kalorien /Kalorien zählen: ja oder nein?
Wir von LCHF Deutschland raten davon ab, Kalorien zu zählen (auch wenn sie auf eine bestimmte Art zählen). Allerdings gibt es eine Ausnahme, wenn du kein Sättigungsgefühl mehr hast. Dann empfehlen dir Kalorien zu zählen und die achtsame Woche nach Dr. Hallberg zu machen. Doch sobald du wieder ein Hungergefühl entwickelt hast und eine ausgewogene LCHF-Ernährung zu dir nimmst, brauchst du in der Regel keine Kalorien mehr zu zählen.
„Die achtsame Woche“ nach Dr. Hallberg
„Das Problem für alle Menschen, die wir sehen, nicht nur für Frauen in den Wechseljahren, ist, dass sie nicht wissen, was Hunger und Sättigung wirklich sind. Sie kommen zu uns nach Jahren und Jahrzehnten einer fettarmen, kohlenhydratreichen Ernährung. So sind sie an ein Gefühl der Fülle gewöhnt, das voller als voll ist. Deshalb müssen wir uns neu trainieren, um zu verstehen, dass satt genug ist, wie du dich fühlen solltest.
Die Leute sagen immer: OMG Ich habe so viel gegessen und fühle mich so voll und ekelhaft. So sind sie es gewohnt, sich „voll“ zu fühlen…. Unbehagen nach dem Essen. Die Umschulung ihres sensorischen Systems, um einfach nur voll genug zu akzeptieren, ist also etwas, woran man mit Menschen arbeiten muss.
Wenn man also ein Plateau hat und damit kämpft, ist das erste, was man sagt, „sollte ich wieder Kalorien zählen“. Nein, nein, nein! Hab eine achtsame Woche. Was das meiner Meinung nach bedeutet, ist, dass der Patient eine Woche Zeit für achtsames Essen aufwenden wird. Man muss eine Woche einplanen, weil es Zeit braucht.
Wenn man also zum Frühstück daran gewöhnt ist, zwei Eier und zwei Streifen Speck zu essen, würde man in der achtsamen Woche nur ein Ei und ein Stück Speck zubereiten. Und man würde es essen. Dann muss man 20 Minuten warten – und da kommt die Zeitinvestition. Und dann fragt man sich nach 20 Minuten, ob man wirklich noch Hunger hat.
Man muss sich diese Zeit nehmen, um zu lernen, wie man sich fühlt, wenn man genug gegessen hat oder noch hungrig ist. Und so machst man das für jede Mahlzeit, für eine Woche. Irgendwann erkennt man, dass man die richtige Menge, zu viel oder zu wenig isst. Man wird bei einigen Mahlzeiten feststellen: „Ich habe zu viel gegessen. Ich brauchte das zweite Ei nicht.“ Es ist eine Möglichkeit, es ohne Zählen von Kalorien zu erreichen, es auf der Grundlage des Bedarfs des Körpers zu machen und so mit den Bedürfnissen des Körpers in Kontakt zu treten.“
Fazit: Zählen Kalorien bzw. soll ich Kalorien zählen?
Gesundheit ist definitiv mehr als nur Kalorienzufuhr und Kalorienverbrauch. Denn es sind nicht alle Kalorien gleich, wenn es um deine Gesundheit geht. Das liegt daran, dass verschiedene Lebensmittel unabhängig von ihrem Kaloriengehalt unterschiedliche Auswirkungen auf verschiedene Prozesse im Körper haben. Wenn du eine ausgewogene LCHF- bzw. Keto-Ernährung befolgst, musst du in der Regel keine Kalorien zählen.
Die LCHF Deutschland Akademie
Haben wir dich neugierig gemacht? Prima! Hier findest du Infos zu unserer beliebten und einzigartigen Ausbildung zum Gesundheits- und Ernährungscoach.
Neuigkeiten
Du möchtest das Neueste aus dem Bereich Gesundheit und Ernährung erfahren? Prima, dann abonniere unseren Newsletter.
Dein LCHF Deutschland Team
LCHF-Deutschland und LCHF Deutschland Akademie, Facebook, Instagram und YouTube
Titelbild: Zählen Kalorien bzw. soll ich Kalorien zählen?
Titelbild des Artikels: al_dente / envato.elements.com
Studien: Zählen Kalorien bzw. soll ich Kalorien zählen?
[1] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34385400/
[2] https://www.science.org/doi/10.1126/science.abe5017
[3] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/8089739/
[4] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/26197807/
[5] https://academic.oup.com/ajcn/article/79/5/899S/4690223
[6] https://jissn.biomedcentral.com/articles/10.1186/1550-2783-1-2-21
[7] https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(10)62037-5/fulltext?code=lancet-site
[8] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5792004/
[9] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/16373948/
[10] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28628125/
[11] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4633340/
[12] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35088407/
[13] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33283417/
[14] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32238384/
[15] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23885994/
[16] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/15466943/
[17] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/15181085/
[18] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23280226/
[19] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31021710/
[20] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC524030/
[21] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22215165/
[22] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/20565999/
[23] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5403516/
[24] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5902736/

Gnubbel 27. Oktober 2025
Hervorragend zusammengefasst, liebe Margret, vor allem die Unverzichtbarkeit einer ausreichenden Energiezufuhr. Denn Energie, die Währungseinheit der Natur, ist das, was uns am Leben erhält. Und Verzicht auf Energie durch absichtliches Hungern oder Energieverschwendung durch exzessiven Sport ist so ziemlich das Unvernünftigste, was wir unserem Organismus antun können. Das wäre vergleichbar damit, dass wir uns weigern würden, im Winter unser Wohnzimmer zu heizen, und, sobald das Thermometer doch ein paar Plusgrade anzeigt, alle Fenster aufreißen würden, damit es ja nicht zu warm im Zimmer wird. Kein Mensch, der nicht gern im Pelzmantel durch seine Wohnung läuft, würde so etwas machen, aber mit unser Körperenergie auf diese Art umzugehen, wird uns sogar noch als nachahmenswertes Beispiel verkauft. In Anbetracht dessen, dass die Zeiten, wo bei uns Milch und Honig geflossen sind, nun unweigerlich ihrem Ende entgegengehen, sollten wir uns zu diesem Thema dringend einmal Gedanken machen.
Ja, auch dass die Rechnerei mit den Kalorien eine Milchmädchenrechnung ist, hast du erfreulich gut herausgestellt. Unser Organismus ist schließlich kein Ofen, in dem man Kohle verbrennt und daraus Wärme erzeugt. Die Aufgaben, die mit der Nahrungszufuhr erfüllt werden müssen, sind so vielfältig, dass dieser einfache Mechanismus gar nicht anwendbar ist. Oder wie soll durch Verbrennen ein Stoff generiert werden (ATP), der die Energie bis in die entlegenste Zelle transportiert, wo sie gebraucht wird? Wie sollen unsere empfindlichen Nervenzellen mit genau dosierter Energie versorgt werden, ohne unser Gehirn dabei zu verheizen? Oder gar Proteine hergestellt werden, was ja Aufbauarbeit ist? Unser Stoffwechsel dient bekanntlich dazu, verbrauchte Körperzellen zu ersetzen, damit wir weiterleben können, und dafür ist ein Verbrennungsvorgang denkbar ungeeignet.
Und für diese Aufbauarbeit, auch Anabolismus genannt (im Gegensatz zum Katabolismus, in dem aus Nährstoffen Energie gewonnen wird) gibt es ein äußerst leistungsfähiges Hormon, nämlich das Insulin. Und dieses Insulin bewirkt, dass aus der Energie, die uns die Nahrung geliefert hat, körpereigenes Material hergestellt wird, das entweder in den Muskeln wiederum zur Energiegewinnung oder in den Fettzellen zur Energiespeicherung verwendet werden kann.
Nur macht eben auch beim Insulin die Dosis das Gift, und da wir in unserer heutigen Zeit viel mehr Energie in Form von Nahrung zur Verfügung haben, als wir brauchen, sorgt es dafür, dass diese nicht genutzte Energie für spätere Zeiten, die wahrscheinlich nie kommen werden, in unseren Fettzellen verschwindet. Also sollten wir durch eine zielgerichtete fettbasierte Ernährung (Fett braucht bekanntlich kein Insulin) dafür sorgen, dass unser Insulin in einer Dosierung verbleibt, die für unsere Gesundheit förderlich ist. Und dann wiederum wird sich das mit den Kalorien von allein regeln, dafür wird schon unser Gehirn sorgen, das einen eigenen Thermostat hat und deshalb weiß, wann wir genug haben, und unseren Appetit dann einfach abschaltet. Sollte das nicht mehr so richtig funktionieren, könnte das vielleicht daran liegen, dass chronischer Stress diesen Thermostat verstellt hat – dann allerdings sollten wir nicht bei der Nahrungsaufnahme ansetzen, sondern uns lieber um unseren Stresspegel kümmern, damit der Thermostat wieder in Ordnung kommt (dazu wird es morgen einen Gastbeitrag geben, in dem ich detailliert auf genau dieses Thema eingehen werde).
Allerdings gibt es, was das Sättigkeitsgefühl angeht, noch einen weiteren Parameter, der gern unter den Teppich gekehrt wird: unser „Neutralgewicht“. Das ist jenes Körpergewicht, bei dem die Energiebilanz in unserem Organismus im Gleichgewicht ist, und das kann mitunter auch ein massives „Übergewicht“ sein (dann sollte man einmal danach fragen, welches Organ sich hier als Energieräuber betätigt – Spoiler: mal an das gestresste Gehirn denken). Solange dieses „Neutralgewicht“ unterschritten ist, weil man zum Beispiel einem fragwürdigen Schlankheitsideal hinterherjagt, wird der Organismus immer bestrebt sein, seine Energiebilanz wieder ins Gleichgewicht zu bringen, und solange dies nicht geschehen ist, wird es auch kein normales Sättigungsgefühl geben, also kein angenehmes Signal, das vom Gehirn ausgeht und uns freiwillig den Löffel zur Seite legen lässt, sondern nur ein Völlegefühl aus dem Magen, das uns daran hindert, noch mehr in uns hineinzuschaufeln. In meinem Gastbeitrag https://lchf-deutschland.de/gezuegeltes-essverhalten-nahrungsverzicht/ bin ich schon mal detailliert darauf eingegangen.
Bei allem Kopfnicken muss ich dich trotzdem auf einen kleinen Fehler aufmerksam machen: „Überschüssige Aminosäuren werden unter Energiefreisetzung zu Glukose abgebaut.“ Nun, ich weiß, dass du es besser weißt, und da ist es deiner geschätzten Aufmerksamkeit sicherlich durch die Lappen gegangen, aber im Hinblick auf die Gefahr der Verunsicherung der Leser sei es nochmal genannt: Bei der Herstellung von Glukose aus Aminosäuren (wobei sich nicht alle Aminosäuren dazu eignen) wird keine Energie freigesetzt, im Gegenteil: Während beim Abbau von einem Molekül Glukose (Glykolyse) zwei Moleküle des Energieträgers ATP entstehen, werden bei der Gegenreaktion, dem Aufbau von Glukose aus Aminosäuren (Glukoneogenese), ganze sechs Moleküle ATP pro Molekül verbraucht. Ein unglaubliches Verlustgeschäft, wenn man bedenkt, was für ein rarer Artikel Energie ist, und deshalb wird die Glukoneogenese nur dann und auch nur so lange betrieben, wie es notwendig ist, um die Glukosevorräte im Organismus aufzufüllen, und kommt danach sofort zum Erliegen – egal, wie viele Proteine noch im Körper herumschwimmen! Die immer noch recht populäre Behauptung, durch Proteine würde die Glukoneogenese forciert und der Organismus aus der Ketose fliegen, ist also unbegründet.
Herzliche Grüße aus dem Maschinenraum
der Gnubbel
Gnubbel 27. Oktober 2025
Aua! „spätere Zeiten, die wahrscheinlich nie kommen werden“ – das wäre wahrlich schlimm! Gemeint sind natürlich Notzeiten, von denen wir hoffen, dass dieser Alltag in vielen Ländern der Welt nicht irgendwann auch bei uns Einzug hält.
Gnubbel 28. Oktober 2025
Habe mir gerade die Bagel-/Eier-Studie etwas genauer angesehen: Schon beeindruckend, was sie da alles gemessen haben, um herauszufinden, warum Eier länger sättigen als Bagels. Aber an das Insulin, das alles ganz einfach erklärt hätte, ist anscheinend keiner gekommen. Nun ja, dazu hätte man auch das Gehirn als größten Energieverbraucher und Hungersignalgeber mit berücksichtigen müssen, und da haben bekanntermaßen manche Leute so ihre Probleme damit. 😉
Margret Ache 28. Oktober 2025
Und ja – dass selbst eine so aufwendige Studie das Insulin und das Gehirn als Hungersignalgeber einfach ignoriert, zeigt wieder: Manchmal ist die einfachste Erklärung die richtige.
Gnubbel 28. Oktober 2025
Ja, und diese Weisheit, die schon 700 Jahre alt ist (https://de.wikipedia.org/wiki/Ockhams_Rasiermesser), scheint sich immer noch nicht überall herumgesprochen zu haben. 😉
Gnubbel 28. Oktober 2025
Nachtrag: Der im vierten Absatz meines Kommentars angekündigte Gastbeitrag zu dem Thermostat im Gehirn ist inzwischen erschienen, und über den Link https://lchf-deutschland.de/habituation-uebergewicht-vorteil/ kommt man direkt dorthin.
Margret Ache 28. Oktober 2025
Lieber Gnubbel,
herzlichen Dank für diesen wunderbar klaren, tiefgründigen und gleichzeitig so lebensnahen Kommentar – ein echtes *Maschinenraum-Meisterwerk*!
Du hast nicht nur die *Energiewährung des Lebens* treffend in den Mittelpunkt gestellt, sondern auch mit dem *Thermostat im Gehirn* und dem *Neutralgewicht* zwei Konzepte beleuchtet, die in der Ernährungsdebatte viel zu selten mit solcher Präzision und Menschlichkeit erklärt werden.
Besonders beeindruckt hat mich deine präzise Korrektur zur Glukoneogenese – ja, sechs ATP verbraucht statt zwei gewonnen: ein energetisches „Verlustgeschäft“, das der Körper nur notgedrungen betreibt. Das macht die ganze „Protein-kickt-dich-aus-der-Ketose“-Angstmache endgültig zum Mythos mit Ablaufdatum. Danke, dass du das so klar und leserfreundlich auf den Punkt gebracht hast!
Und dein *Vergleich mit dem unbeheizten Wohnzimmer im Winter* – genial! Wer würde freiwillig frieren, nur weil draußen mal die Sonne scheint? Genau so absurd ist es, dem Körper Energie vorzuenthalten, während er doch nur funktionieren und heilen will.
Der *Gastbeitrag zum Thermostat* (jetzt ja schon online – danke für den Link!) und dein früherer Text zum *gezügelten Essverhalten* gehören inzwischen zu meinen Lieblings-Lesezeichen in der LCHF-Welt. Wer das liest, versteht plötzlich, warum *Kalorienzählen oft scheitert* – und warum *Ruhe, Fett und ein entspanntes Gehirn* die besseren Diätberater sind.
Weiter so aus dem Maschinenraum – wir brauchen genau diese Stimme:
klar, kritisch, warmherzig und immer mit einem Augenzwinkern.
Herzliche Grüße zurück,
Margret