In unserer zweiten Print-Ausgabe des Low Carb – LCHF Magazins im Juni 2014 hat Frau Prof. Ulrike Kämmerer einen Artikel zu dem Thema Ketogene Ernährung bei Krebs geschrieben. Da wir aktuell im Bekannten- und Freundeskreis mehrere Betroffene haben, ist dieses Thema bei uns gerade sehr präsent. Vielleicht auch bei Ihnen?
Ketogene Ernährung und Krebs
Professor Dr. rer. biol. hum. Ulrike Kämmerer
Nach der niederschmetternden Diagnose „Krebs“ stellen sich bald zwei Fragen: Welche
Therapie gibt es? Und: Was kann ich selbst tun, um meine Genesung zu unterstützen?
Es gibt keine „Anti-Krebsdiät“
Dass die Ernährung für unsere Gesundheit und Gesundung eine ganz entscheidende Rolle spielt, wird niemand bestreiten. Und so verwundert es auch nicht, dass bei Patienten sehr schnell die Frage nach einer speziellen Ernährung „gegen“ den Krebs aufkommt. Aber gibt es wirklich eine Ernährungsform, mit der man gezielt „gegen“ Krebs anessen kann? Eine, mit der man Krebs gar „aushungern“ kann?
Nach derzeitigem Stand des Wissens lautet die klare Antwort: Nein! Es gibt keine Ernährung, die „gezielt“ – wie eine Chemotherapie – sicher „gegen“ Krebszellen wirkt. Und aushungern kann man Krebszellen nur im Labor – nicht bei Patienten.
Eine ketogene Diät als Therapieunterstützung bei Krebs
Aber jetzt kommt die gute Nachricht: Es gibt tatsächlich eine gute Möglichkeit, Krebspatienten mithilfe einer speziellen Kost zu helfen. Leider ist sie – mal abgesehen von LCHFerfahrenen Kreisen – noch ziemlich unbekannt oder wird sogar verkannt. Es handelt sich um die ketogene Ernährung, mit der Patienten „bei“ Krebs unterstützt werden können, und mit der ihre Therapie begleitet werden kann. Die ketogene Ernährung ist bei den veränderten Bedingungen im Körper eines Krebskranken mit den systemischen Entzündungsreaktionen und der oft ausgeprägten Insulinresistenz besonders geeignet, den Genesungsprozess zu unterstützen. Aufgrund ihrer speziellen Zusammensetzung aus sehr viel Fett und wenig Kohlenhydraten kann sie den Körper des Kranken stärken und aufbauen, ohne den Krebs zu „füttern“. Die ketogene Diät ist eine Ernährung, die seit über 100 Jahren immer wieder für Krebspatienten in der Fachliteratur beschrieben wurde und die seit fast 100 Jahren in der Behandlung der Epilepsie sehr erfolgreich eingesetzt wird. Der große Vorteil der ketogenen Diät bei Krebserkrankungen liegt darin, dass bei korrekter Anwendung keine Körpermasse ungewollt abgebaut wird – und dass vor allem die Muskeln erhalten bleiben.
Grundlagen der ketogenen Diät
Die ketogene Diät – als eher „verschärfte Form“ von LCHF – ist eine isokalorische, extrem fettreiche (ca. 80% der täglichen Kalorien aus Fett) und kohlenhydratarme (20-40 g, je nach individueller Toleranzschwelle) Ernährungsform, bei der sich der Körper auf einen Fastenstoffwechsel umstellt, jedoch ohne zu hungern. Ihr Kennzeichen ist das Auftreten von sogenannten „Ketonen“ in Blut und Urin. Die Leber bildet Ketone aus Fett immer dann, wenn der Körper länger als einen Tag fasten muss oder ausreichend Kalorien aus Fetten bekommt, ohne dass dazu Kohlenhydrate gegessen werden. Zu den Ketonen gehören neben Acetoacetat auch Aceton (dies wird abgeatmet und führt zum „fruchtigen“ Geruch bei plötzlich anflutender hoher Ketose) und beta-Hydroxybutyrat.
Krebszellen lieben Zucker
Letzteres ist chemisch kein Keton, wird aber physiologisch zu den Ketonen gezählt, weil immer wenn Acetoacetat gebildet wird, auch beta-Hydroxybutyrat entsteht.
Ketone fürs Gehirn
Ketone versorgen bei fehlendem Zuckernachschub das energiehungrige Gehirn. Hirnzellen „lieben“ Ketone geradezu. Sie arbeiten damit besonders gut – vielleicht gerade deshalb wirkt die ketogene Diät oft auch sehr gut bei Epilepsie. Die Anfälle reduzieren sich oder verschwinden ganz. Muskeln und Organe können ihre Energie direkt von Fettsäuren beziehen, die entweder aus den körpereigenen Reserven oder aus Butter, Nüssen, Speck und anderen fetten Lebensmitteln kommen. Sie brauchen also keine Ketone. Auch viele Zellen des Gehirns könnten theoretisch sehr gut mit Fettsäuren arbeiten. Allerdings verbrennen Fettsäuren in Zellen vergleichsweise „unsauber“ und ineffektiv: Sie brauchen sehr viel Sauerstoff, produzieren sehr viele zellschädliche „Radikale“ (ROS) und die Energiegewinnung geht relativ langsam – alles drei für unser hochaktives und empfindliches Gehirn ungeeignet, um schnell genug Energie zu erlangen. Daher sind die Mitochondrien der Nervenzellen im Gehirn nicht für die (aus Sicht der Nervenzellen) ineffektive und schädliche Fettverbrennung eingerichtet, die Schlüsselenzyme für die Fettsäureverbrennung (die beta-Oxidation) sind nur in sehr geringen Mengen vorhanden. Ketone dagegen verbrennen in den Mitochondrien extrem effektiv, schnell und sauber – sie haben technisch gesehen einen höheren Wirkungsgrad, sogar noch höher als der von Glukose, und verbrennen schadstoffarm, mit wenig ROS-Bildung. Übertragen kann man das mit Automotoren vergleichen: die einfachen Motoren arbeiten perfekt mit „Normalbenzin“ – Autos mit solchen Motoren würden natürlich auch mit Super fahren, brauchen das aber nicht. Die Autos mit leistungsfähigeren Motoren brauchen Super Benzin oder sogar „Super Plus“ und Rennmotoren in der Formel-1 sogar spezielles noch besseres Benzin, quasi Super Plus Plus – und würden mit Normalbenzin nur müde dahintuckern. Unsere Gehirnzellen als „Formel-1 Zellen“ des Körpers können so mit Fettsäuren (Normalbenzin) nichts anfangen, sie brauchen mindestens Super (Glukose) oder noch besser, spezielles Formel-1 Benzin (Ketonkörper).
Fettsäuren für den Körper
In allen anderen Geweben reicht die „langsamere“ Verbrennung von Fettsäuren gut aus, um die notwendige Energie zu bilden. Auch spielen hier ROS-Bildung und Sauerstoffangebot keine so große Rolle, Fettsäuren sind also ideale Energiespender für alle normalen Zellen. Gerade Krebskranke brauchen besonders viel Fett, um ihre Muskeln zu erhalten und Kraft zu gewinnen. Denn eine Krebserkrankung verändert den Stoffwechsel so, dass die Muskeln schlechter auf das Signal „Zucker aufnehmen“ reagieren, das über das Hormon Insulin vermittelt wird.
Ketogene Ernährung bei Krebs
Sie werden – wie ein Diabetiker – insulinresistent. In der Folge können die Muskeln immer weniger Zucker verwenden. Fehlt es den Zellen an Zucker und stehen gleichzeitig nicht genug Fettsäuren als Ersatztreibstoff zur Verfügung, dann schwindet die Kraft. Man fühlt sich kraftlos und ist schnell erschöpft. Viele Krebspatienten kennen das leider nur zu gut.
Fettsäuren können auch ohne Insulin in die Zellen gelangen. Und wenn man ausreichend Fett anbietet, wie bei einer LCHF- oder ketogenen Diät, bekommen die Muskeln selbst bei einer ausgeprägten Insulinresistenz wieder Energie. Jeder Ausdauersportler kennt das, es ist die gewünschte „Fettverbrennung“, die einen auch ohne dauernden Nachschub an Bananen und Traubenzucker einen Marathon laufen lässt.
Was ist mit Krebszellen?
Und Krebszellen? Die können Fettsäuren und Ketone zwar auch aufnehmen. Nach allem, was bisher erforscht wurde, brauchen Krebszellen aber unbedingt Zucker zum Wachsen, und davon sehr, sehr viel. Mit Fetten und Ketonen können Krebszellen nicht viel anfangen – Ketone hemmen sogar eher ihr Wachstum und Fettsäuren werden oft netto von Krebszellen sogar hergestellt – aus Zucker. Auch scheinen hier – ähnlich wie im Gehirn – Fettsäuren nicht effektiv verbrannt werden zu können, scheiden also als gute Energiequelle aus. Und wenn – wie häufig in Krebszellen anzutreffen – die Mitochondrien defekt sind, dann können die Zellen eben auch keine Ketone zur Energiegewinnung nutzen.
Ketogene Diät für Krebspatienten
Alle diese Umstände nutzt die ketogene Diät. Zugegeben: Die Umstellung auf eine ketogene
Diät mit ihrem hohen Fettanteil bedeutet für Betroffene sicher eine massive Änderung ihrer gewohnten, „normalen“ Ernährung, jeder LCHF-Erfahrene weiß das. Tierversuche und erste
Fallberichte von Patienten zeigen jedoch eine gute Verträglichkeit dieser zwar strikten, doch
Offensichtlich wirksamen Ernährungsform. Es gibt daher gute Gründe, sie als eine begleitende Maßnahme in der Therapie für Krebspatienten ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Sollte eine echte ketogene Diät für die Patienten nicht realisierbar sein (das Glas Bier, das Obst…) dann ist zumindest LCHF oder die LOGI-Ernährung allemal besser als die aktuell noch weitverbreitete fettphobe „gesunde“ Ernährung nach DGE.
Studien?
Dringend gebraucht werden allerdings noch größere seriöse klinische Studien, damit diese
Ernährungsform in der Onkologie allgemeine Akzeptanz finden kann. Erste Studien in
Deutschland laufen. Die „KOLIBRI“-Studie für Brustkrebs-Patientinnen in Bad Kissingen
(Studiennummer NCT02092753) und die „ERGO 2“-Studie für Glioblastom-Patienten
(Studiennummer: NCT01754350) in Frankfurt. Es gibt also Hoffnung.
Ulrike Kämmerer
Prof. Dr. rer. biol. hum. Ulrike Kämmerer ist Biologin und forscht zusammen mit ihrer Arbeitsgruppe an der Universitäts-Frauenklinik in Würzburg. Sie war Mitinitiatorin
einer der ersten klinischen Studien über ketogene Ernährung bei Krebs überhaupt.
Das Low Carb – LCHF Magazin
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Margret Ache und Iris Jansen
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